90,9 Gramm CO2: Ein traumhafter Wert


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Auf dieses Papier hat Prof. Dr. Thomas Heinze zusammen mit Prof. Dr. Harald Altjohann, seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten fast zwei Jahre hingearbeitet: 90,9 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer dokumentiert der Prüf-bericht der KÜS ihrem Versuchsfahrzeug – einem Peugeot 107.

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Drei Versuchsfahrzeuge waren beim Projekt CO2-100minus im Einsatz: Fiat 500 (vorne), Hyundai i10 (Mitte) und Peugeot 107 (hinten).

Damit emittiert der französische Kleinwagen 18 Prozent weniger als zu Beginn des Projektes CO2-100minus, an dem die KÜS zusammen mit einem Dutzend anderer Unternehmen und zweier Ministerien als Projektpartner beteiligt ist. Auf 100 Gramm CO2 wollten die Wissenschaftler der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) Serien-Pkw mit Ottomotoren drücken. Das ist ihnen eindrucksvoll gelungen. Ziel erreicht! Ja, mehr noch, Zielvorgabe deutlich übertroffen. «Das ist ein traumhafter Wert», freut sich Prof. Heinze.

Das Projekt CO2-100minus ist Nachfolger von v300plus, mit dem im Oktober 2007 auf dem Hochgeschwindigkeitsoval in Papenburg ein inoffizieller Rekord von 303,6 km/h mit einem Autogas-Fahrzeug aufgestellt worden war. LPG ist nicht nur was für Pfennigfuchser, man kann damit auch verdammt schnell sein. Das war damit eindeutig bewiesen. Jetzt sollte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass Flüssiggas noch ein großes Potenzial hat, wenn es um die Reduzierung des Treibhausgases CO2 geht. Auslöser war Ende 2007 die Diskussion um eine Kfz-Steuer auf Basis der CO2-Emissionen. 100 Gramm pro Kilometer sollten die Grenze für eine Steuerfreiheit sein. Herausgekommen sind – wie bekannt – 120 Gramm, doch das ließ die Wissenschaftler und Projektpartner nicht von ihrem ursprünglichen Ziel abrücken.

«Autogas hat chemisch einen CO2-Vorteil von 9,2 Prozent gegenüber Benzin», erklärt Prof. Heinze. Betrachtet man zusätzlich den Bereitstellungsaufwand – also das Kohlendioxid, das bei der Förderung bzw. Produktion sowie beim Transport zum Fahrzeugtank entsteht – profitiert die Umwelt sogar von 13,2 Prozent weniger CO2. Ausschließlich die Benzinmotoren auf Autogas umrüsten, das reicht aber nicht. Zumal der Bereitstellungsaufwand nicht in die CO2-Ermittlung einfließt. Hier wird nur das gemessen, was aus dem Auspuff herauskommt! Erschwerend kommt hinzu, dass die drei Versuchsfahrzeuge Fiat500 (119 g CO2/km), Hyundai i10 (119 g CO2/km) und Peugeot 107 (109 g CO2 /km) die offiziellen Emissionswerte in der Praxis nicht einhalten können.

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Auf 90,9 Gramm CO2 pro Kilometer haben die Prof. Thomas Heinze (l.) und Harald Altjohann mit ihren Mitarbeitern und Studenten den Kohlendioxid-Ausstoß dieses Peugeot 107 gesenkt.

Ohne Umrüstung ist das Ziel aber gar nicht zu erreichen. Dies geschieht beim niederländischen Projektpartner Vialle. Er hat Autogasanlagen entwickelt, bei denen das LPG flüssig direkt ins Saugrohr eingespritzt wird. Der «Umweg» über den kühlwasserbeheizten Verdampfer kann entfallen. Und so gelingt es Prof. Heinzes Forschungsgruppe automotive powertrain, einen monovalenten Betrieb störungsfrei zu realisieren. Der Motor wird dabei bereits mit Autogas gestartet und nicht wie sonst üblich mit Benzin. Zum Beweis haben die Studenten beim Hyundai den Benzintank gleich ausgebaut.

Die Monovalenz bringt mehrere Vorteile.Gerade die Kaltstartphase braucht viel Kraftstoff und verursacht so entsprechend viel CO2. Für einen runden Motorlauf wird das Benzin-Luft-Gemisch zudem angefettet. Das ist bei Flüssiggas nicht nötig. Schadstoffe wie Stickoxide und Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen in deutlich geringerem Maße – hat zwar nichts mit dem Projekt zu tun, ist aber ein sehr positiver Nebeneffekt. Bei nur einem Kraftstoff muss man zudem keine Kompromisse eingehen. Die Motorsteuerung kann optimal auf LPG programmiert werden.

«Autogas verbrennt schneller als Benzin und hat eine deutlich höhere Klopffestigkeit»

erläutert Mitarbeiter Jochen Diehl bei der Ergebnispräsentation in einem Hörsaal der HTW. Daher kann der Zündzeitpunkt nach vorne verschoben werden. Um wie viel genau, das haben die Studenten in umfangreichen Tests auf einem Rollenprüfstand für jeden einzelnen Betriebspunkt präzise ermittelt. Ein eigenes Steuergerät wird entwickelt. Nach dem Master-Slave-Prinzip bekommt die HTW-Zündsteuerung die Daten von der Original-Motorsteuerung des Pkw-Herstellers und gibt modifizierte Daten an die Zündkerzen weiter.

In einem weiteren Schritt wird die Verdichtung von 10,5:1 auf 12:1 gesteigert. Dies wird erst durch die hohe Klopffestigkeit von durchschnittlich 107 Oktan statt 95 bei Superbenzin möglich. Höhere Kompression bedeutet einen besseren Wirkungsgrad – eine Methode die oft im Motorsport angewandt wird, um die Leistung zu steigern. Ruft man dagegen die gleiche Leistung ab wie zuvor, so sinkt der Verbrauch und damit auch der CO2-Ausstoß. Die Hubraumzwerge indes haben eine sehr ausgeprägte Brennraumgeometrie. Quetschkanten ragen bis in den Zylinderkopf, auf der Kolbenoberseite gibt es Vertiefungen für die Ventile. Daher kommt das Planschleifen von Zylinderkopf und eventuell Motorblock nicht in Frage. Eigens für das Projekt werden in den USA geschmiedete Kolben bestellt, die dann in England nach Vorgaben aus Saarbrücken CNC-behandelt und dann bei Motortunern im Saarland angepasst und montiert werden. Sie haben eine flachere Brennraummulde und erreichen so eine Kompression von 12:1.

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Sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis des Projektes CO2-100minus (v.l.): Prof. Dr. Harald Altjohann, Prof. Dr. Thomas Heinze, HTW-Rektor Prof. Dr. Wolfgang Cornetz, Staatssekretär Peter Hauptmann, Westfalen AG-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Fritsch-Albert, die wissenschaftlichen Mitarbeiter Jochen Diehl und Michael Fries sowie Student Wolfram Kirsch.

Mit einer Schaltanzeige sparen die Saarbrücker Wissenschaftler ein paar weitere Zehntelgramm CO2 ein. Der offizielle Abgastest im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) sieht nämlich feste – und meist zu hohe – Drehzahlen für das Schalten vor. Ist eine Schaltanzeige vorhanden, darf früher geschaltet werden. Und auch das gehört zur Optimierung: Selbstverständlich kommen Leicht-laufreifen und Leichtlauföle der Projektpartner Fulda und Fuchs zum Einsatz.

Am Ende steht so beim Peugeot der Traumwert von 90,9 Gramm – 18 Prozent weniger als der Ausgangswert, bei Berücksichtigung des Bereitstellungsaufwandes sogar 21 Prozent minus. Beim Hyundai sind es auch beeindruckende 102,2 Gramm. Hier gewinnt die Umwelt 14 Prozent, bei der Betrachtung der gesamten CO2-Kette sind es 18 Prozent. Mit dem Fiat wurden Basisforschungen durchgeführt und daher aus Kostengründen auf einen Teil der Optimierungen verzichtet. «Wir können bestätigen, dass die hier präsentierten Ergebnisse des ermittelten CO2-Ausstoßes keine fiktiven Zahlen, sondern echte Werte sind, die nach definierten Methoden ermittelt wurden, so wie sie auch im Genehmigungsverfahren von Kraftfahrzeugen angewendet werden», betont KÜS-Prüfingenieur Elmar Bachmann bei der Ergebnispräsentation.

v300plus = mehr Leistung – erledigt. CO2-100minus = sehr sparsam – auch erledigt. Das nächste Projekt ist schon in Planung. Bei s1000plus sollen mehr als 1.000 Kilometer mit einer LPG-Tankfüllung gefahren werden. Ganz ohne Nachtanken. Die KÜS wird als Projektpartner auch diese Forschungen begleiten.

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