Auto-Design in Zeiten 2.0


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«Was machen eigentlich Designer den ganzen Tag? Warten sie auf eine Idee?» Mark Adams stutzt kurz und lacht dann laut. Die Vorstellung, ein Kreativer drehe tagsüber hauptsächlich meditativ Däumchen, amüsiert den Chefdesigner von Opel erkennbar.

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Mark Adams

Jahrgang 1961, Studium Ingenieurwesen und Design, Bachelor in Maschinenbau (Fachbereich Fahrzeugtechnik), Master in Autodesign (Royal College of Art in London).

Seit 2002 bei GM, seit 2007 Leiter des europäischen Design-Center von GM in Rüsselsheim, verantwortlich für das Design der GM-Marken Opel, Vauxhall und Saab (Europa) und eines Teils der Produkte von Saturn (USA).

Denn die Realität sieht für Mark Adams in Rüsselsheim anders aus: Hier steht eins von weltweit 11 Design-Zentren, die der Mutterkonzern GM unterhält,

hier arbeiten rund 400 Leute aus fast zwanzig Nationen an den Fahrzeugen von morgen.

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Wir erhalten auch nur einen kleinen Einblick in das «Allerheiligste». Aber wir dürfen immerhin in den «Virtual Reality»-Raum und in eine kleine Halle, wo der neue Insignia steht. Alle anderen Räumlichkeiten bleiben jedoch verschlossen. Der «Virtual Reality»-Raum ähnelt einem Kinosaal. Wir blicken auf eine gigantische Leinwand, deren Größe ebenso fasziniert wie die brillanten Farben. Mit einer 3D-Brille vor den Augen erscheinen die Bilder des Insignia dreidimensional. Mark Adams lässt den Techniker die Fahrzeugfarbe wechseln. Statt in Silber leuchtet die Limousine plötzlich in Rot und dann in Schwarz. Andere Felgen oder ein größerer Kühlergrill gefällig? Kein Problem, alle Prozesse erfolgen blitzschnell. Und man kann alles aus einer 360-Grad-Perspektive betrachten. Erst, wenn man die Hand danach ausstreckt, merkt man, dass man nichts Gegenständliches sieht. Das funktioniert auch beim Interieur des Fahrzeugs. Schwarzes Leder, braunes Leder, Sportlenkrad, matte Oberflächen oder doch lieber glänzende? In Sekundenschnelle kann man «einfach» Exterieur- oder Interieurelemente ändern und betrachten. Kollege Computer spart Zeit und Kosten, denn nicht für jede Modifikation muss nun ein teures Modell angefertigt werden. Außerdem lassen sich die Erkenntnisse per Datenaustausch mit den Mitarbeitern anderer Design-Studios diskutieren.

Tatsächlich ist Mark Adams nicht nur Betreuer des Styling-Prozesses, sondern zugleich Problemlöser. Die beste mögliche Option im Spannungsfeld zwischen schönem Sein und technischem Anspruch zu finden (das möglichst auf elegante Art und Weise), die Umsetzung der eigenen Ideen und die des Teams, alles beansprucht viel Energie.

Rücklicht Insignia

Den Nerv und Geschmack der Käufer von morgen heute auszumachen und in Form zu bringen.

Dazu reicht Genialität nicht, ebenso wenig wie Gedankenblitze. Man muss auch ein guter Handwerker und Techniker sein, die Vorgaben des Vorstands umsetzen, aber auch die Bürokratie verstehen. (Letztere Bemerkung wird von einem kleinen Seufzer begleitet). Der ganze Prozess ist Teamarbeit.

So sind nur die Kreativen bei der Entstehung eines neuen Modells involviert. Bereits nachdem erste Ideen für ein neues Fahrzeug auf Papier gebracht, beziehungsweise erste Ton- oder Holzmodelle angefertigt worden sind, kommen die Ingenieure und die Fertigungsexperten dazu. So müssen zum Beispiel Vorgaben zur Fußgängersicherheit umgesetzt werden. Das bedeutet, die Motorhaube eines Fahrzeugs muss neben allen künstlerischen Freiheiten so konstruiert werden, dass sie im Falle einer Kollision Auto-Fußgänger letzteren so wenig wie möglich verletzt und einen großen Teil der Aufprallenergie weg vom Unfallopfer lenkt. Oder Beispiel Rückleuchte: Einfach gut aussehen und leuchten genügt nicht mehr. Eine kleine Kante im Rücklicht verbessert die Aerodynamik des Fahrzeugs und trägt damit dazu bei, den Spritverbrauch zu verringern. Die Fertigungs-Fachleute bringen ihr Wissen für eine optimale Produktion mit ein. Qualität bei den Materialien und bei der Fertigung sind unerlässlich. Mitbestimmungsrecht haben natürlich auch die Controller, die die Kosten immer im Auge haben.

Nicht ohne Grund ist also das Design-Zentrum mitten drin zwischen Entwicklungs-, Fertigungs- und Controllingabteilung angesiedelt. Die Wege sind kurz, um den Einklang zwischen schönem Sein, Technik und Wirtschaftlichkeit gemeinsam zu schaffen.

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