Der Mensch hinterm Retter


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Sie leisten medizinische Hilfe und häufig auch Unglaubliches, sie werden bewundert und genießen hohe Achtung: die Rettungsflieger der Luftrettung. Doch hinter den funktionierenden Helfern stecken Menschen, die das Geleistete stets neu verarbeiten müssen.

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Stefan Hippeli Pilot bei der DRF Luftrettung

 

Vorm leeren Hangar der DRF Luftrettung in Ochsenfurt stehend, höre ich Christoph 18, noch bevor ich ihn sehe: Die Rotorblätter und die beiden fast 1.500 PS starken Triebwerke verraten die Ankunft der rot-weiß lackierten Maschine vom Typ EC 135. Die Besatzung steigt aus dem Hubschrauber und macht das Luftfahrzeug unverzüglich abflugbereit für den nächsten Einsatz. Erst jetzt ist Zeit für eine Pause.

Ich werde von Pilot Stefan Hippeli (48) und Rettungsassistent Armin Stark (44) empfangen. Seit etwa sieben Uhr sind die beiden auf den Beinen, bis zum Feierabend sind es noch ein paar Stunden. «Wir fliegen, solange die Sonne scheint», erklärt Pilot Hippeli,«von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Gleichzeitig dürfen wir Piloten gewisse Flug- und Dienststunden pro Tag nicht überschreiten. Aus diesem Grund dauert unser Dienst im Winter sieben, im Sommer vier Tage – im Sommer, wenn die Tage länger sind, können wir länger fliegen.»

Die Fliegerei habe selbst nach jahrzehntelangem Dienst nichts an Faszination verloren, erklären beide einstimmig. Rettungsassistent Stark hat zunächst ein Handwerk erlernt, ehe er zu seinem Traumberuf Rettungssanitäter fand und sich bei der Luftrettung bewarb. «Die Aufregung der ersten Einsätze ist mittlerweile einer Routine gewichen», so Stark. Er ergänzt: «Einem Mechanismus darf man nicht verfallen, dann schleichen sich Fehler ein, die in unserem Beruf fatale Folgen haben können.»

Wie lange man den Beruf ausüben könne, will ich von beiden wissen. «Eigentlich», so Pilot Hippeli, «bis zum Rentenalter. Allerdings ist die Arbeit körperlich sehr anspruchsvoll: Wir müssen Personen in den Hubschrauber ein- und ausladen und das bei jedem Wetter. Dann sind wir unter Umständen durchgefroren, tropfnass oder schweißgebadet.»

Dennoch wollen beide Männer ihren Beruf keine Sekunde missen. «Es ist schön, anderen Menschen helfen zu können und eher eine Passion, denn ein einfacher Job», beschreibt Stark seine Tätigkeit.

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Rettungsassistent Armin Stark

Man muss vergessen können

Welche Erinnerung bleibt, will ich wissen. «Es sind nur die angenehmen, schönen Erinnerungen, die lange im Gedächtnis bleiben. Alles andere muss man so schnell wie möglich vergessen», so Hippeli. Beide erklären mit ernster Miene: «Keinesfalls sollte man belastende Einsätze mit nach Hause nehmen, man muss sich sein Ventil suchen, um die Einsätze zu verarbeiten.» Beide reden mit ihren Ehefrauen über ihre Arbeit, sparen aber Details aus und haben ihren eigenen Weg der Verarbeitung gefunden: Stark entspannt sich als Jäger in Flora und Fauna, Hippeli widmet sich seiner Familie. Hilfreich sei in jedem Fall die Anonymität der Unfallopfer: «In 99 Prozent der Fälle kennt man die Verletzten nicht. Einen Bekannten oder Arbeitskollegen notärztlich versorgen zu müssen, ist mit einem Sechser im Lotto vergleichbar.» Bei Hippeli und Stark war das noch nie der Fall. Verändert hat ihr Beruf die beiden nicht, jedoch sehen sie einige Situationen deutlich entspannter als vorher. «Man versucht gefährliche Situationen zu vermeiden, mahnt sich und andere häufiger zur Vorsicht. Aber im Grunde lebt man sein Leben wie gewohnt», beschreiben beide ihre Lebenssituation.

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Fassungslosigkeit ob der Dreistigkeit

Die Lebensretter haben es längst nicht nur mit dankbaren Bundesbürgern zu tun. «Häufig», so Hippeli, «werden wir gefragt, ob es sich bei unserem Einsatz um eine Übung handelt. Nur langsam verstehen Zaungäste, dass Rettungshubschrauber keine Übungen fliegen. Das allerdings sind die harmlosen Randerscheinungen bei unseren Einsätzen.» Von ganz anderen Erlebnissen kann Rettungsassistent Stark berichten: «Es kommt auch vor, dass wir nach der Landung beschimpft werden, weil der Hubschrauber so laut oder das Gras platt gedrückt ist oder das Obst von den Bäumen gefegt wurde. Allerdings sind das Ausnahmen und fast immer sind die Menschen dankbar über die schnelle medizinische Hilfe.» Gleichzeitig appellieren beide an die Zivilcourage der Bevölkerung: «Es kommt leider immer häufiger vor, dass bei Unfällen nicht mehr geholfen wird. Wohl aus Angst, einen Fehler zu machen. In vielen Fällen wird nicht mal mehr der Unfall gemeldet, stattdessen beobachten diese Personen das weitere Geschehen aus sicherer Entfernung. Dabei kann ein Ersthelfer mit entsprechenden Maßnahmen über Leben und Tod entscheiden», erklären beide einstimmig.

Fazit: Mein Respekt vor den Einsatzkräften der Rettungsdienste ist nach dem Besuch bei Christoph 18 weiter gewachsen. Gerade jetzt, wo ich weiß, unter welchen Belastungen jeder Einzelne der Retter steht. Ich bin froh, dass es die vielen Retter gibt, die mich im Ernstfall versorgen – völlig egal, ob dabei der Zaun kaputt geht oder der englische Rasen platt gewalzt wird.

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