Die Letzte ihrer Art


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Der Motorradbau zwischen den Weltkriegen war schier undurchschaubar. Allein in Berlin entstanden nach der Währungsreform 1923 in nur eineinhalb Jahren über 150 Motorradfabriken. Die Stückzahlen waren meist gering und viele verschwanden schnell wieder von der Bildfläche. Entsprechend gering ist daher die Chance, manche Marke überhaupt noch zu finden. Wenn doch, sind es meist Unikate.

Foto: Matthias Mausolf

Bei der renommierten Int. Ibbenbürener Motorrad-Veteranen-Rallye wurde die Satorius erstmals wieder von Burkhard Pollmüller im öffentlichen Straßenverkehr bewegt.

Ein solch einzigartiges Motorrad hat Burkhard Pollmüller aus Gütersloh jetzt nach mehr als zehnjähriger Restaurationsarbeit wieder auf die Straße gebracht: Eine Satorius, Baujahr 1923.

Paul Schubert aus Bunzlau in Schlesien war in jenem Jahr einer der vielen, die eine kleine Motorradmanufaktur gründeten, der er den Namen Satorius gab. Zwei Modelle bot Schubert seinen Kunden an: Ein 180-ccm-Zweitakt-Zweigang-Modell sowie einen 350-ccm-Viertakter mit Dreigangschaltung.

Allein das Motorrad von Burkhard Pollmüller mit der kleineren Motorisierung scheint überlebt zu haben. Alle Recherchen auf Motorrad-Veteranen-Treffen, in Museen, im Internet oder auch Nachfragen in diversen Foren waren für den Gütersloher im Ergebnis recht dürftig. So blieb dem heute 55-Jährigen nichts anderes übrig, als manches Detail von zeitgenössischen Motorrädern zu übernehmen.

Dabei hätte Pollmüller mehr Infos gut gebrauchen können. Als er die Satorius zu Anfang des neuen Jahrtausends bekam, war sie in Einzelteile zerlegt und zudem unvollständig. Die beweglichen Teile wiesen einen starken Verschleiß auf, was Rückschlüsse auf eine intensive Nutzung durch die Vorbesitzer dokumentierte, gleichzeitig aber bewies, dass es sich um eine alltagstaugliche Konstruktion handelte. Der Riemenantrieb war durch einen früheren Besitzer gegen einen Kettenantrieb ersetzt worden, doch jetzt treibt wieder ein Riemen das Hinterrad an. Eine vergleichsweise kurze Kette gibt es trotzdem – an der rechten Fahrzeugseite. Eine Art Kickstarter ist nämlich rechts am Rahmen in Höhe des Hinterrades angebracht. Die Kurbel wirkt über die Kette auf die Hinterradnabe mit Freilauf und gibt die Kraft über den Riemen wieder nach vorne zum Motor, wodurch dieser angeworfen wird. Auf die hintere Riemenscheibe wirkt auch die Bremse. Vorausschauendes Fahren ist allerdings angesagt, denn ihre Wirkung ist äußerst bescheiden, aber für damalige Verhältnisse nicht gänzlich ungewöhnlich.

Doch bis ans Bremsen zu denken war, vergingen ungezählte Stunden der Restaurierung. Der Kolben musste mit einem neuen Bolzen und neuen Ringen aufgearbeitet werden. Da Satorius nur eine geringe Fertigungstiefe hatte, stammten viele Teile von Grossisten und konnten vergleichsweise leicht beschafft werden. Allein die Beschaffung neuer Felgen erwies sich als schwieriger als erwartet. Letztendlich konnte Burkhard Pollmüller aber passenden Ersatz auftreiben.

Ein Originalteil seiner Satorius war übrigens schon früher mal in Gütersloh gewesen: Der Vergaser, ein Einhorn-Vergaser, Typ 20 mit Walzensteuerung, der Gütersloher Firma Dehle & Sewerin.

technische Daten

  • Baujahr: ca. 1923
  • Bohrung/Hub: 55/70 = 180 ccm, Schmierung über Gemisch (Herstellerangabe 1:10) mit zusätzlicher Handölpumpe, 0,95 Steuer-PS, 2,75 Brems-PS
  • Blockmotor mit Zweigang „Schwenkradgetriebe“
  • Riemenantrieb zum Hinterrad, Bereifung 26×2 Wulst-Reifen
  • Zündung: Schwungrad-Magnet
  • Kupplung: 12 Stahl- und 12 Bronzescheiben im Öl
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Einfach aber wirkungsvoll: Das Zweigang-Getriebe der Satorius.

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