Die Wege zu Bio-Autogas sind sehr verschieden


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Autogas ist ein vergleichsweise sauberer Kraftstoff. Seine CO2-Bilanz ist um knapp 15 Prozent günstiger als die von Benzin, wenn man alle Emissionen von der Quelle bis zum Rad (Well to Wheel) betrachtet. Deshalb ist die Mineralölbesteuerung auch um gut 55 Cent pro Liter niedriger als bei konventionellem Ottokraftstoff. Der Bundesregierung reicht das nicht. Sie fordert in ihrem neuen Energiekonzept mehr Bio. Und das gilt auch für das schon saubere Autogas.

Mairo Mocker

Dr. Mario Mocker

Entsprechend intensiv wird vielerorts geforscht, um biogenes LPG (Liquefied Petroleum Gas) herzustellen. Die Ansätze sind dabei äußerst unterschiedlich und spannend. Sie reichen von einer möglichen Renaissance altbekannter chemischer Verfahren bis hin zu «pupsenden Bakterien» – oder vornehmer ausgedrückt Mikroorganismen, die bei ihrem Stoffwechsel Propan und Butan erzeugen.

Frank Bonaldo, im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Referatsleiter für «deutsche und europäische Mineralölmärkte», macht deutlich, wohin die Reise geht: «Ohne Integration erneuerbarer Energieträger kann es kein Wachstum geben.» Ein höherer Anteil an erneuerbarer Energie in einem Kraftstoff bedeute künftig eine niedrigere Besteuerung, erläuterte der Ministerialrat vor über hundert Vertretern der Flüssiggasbranche.

Bereits in den 1920er-Jahren hatten die Wissenschaftler Prof. Franz Fischer und Dr. Hans Tropsch ein Verfahren zur Umwandlung von Wasserstoff und Kohlenmonoxidin Kohlenwasserstoffe entwickelt. Ursprünglich sollten damit aus Kohle Synthesegase gewonnen werden. Billiges Erdöl sorgte dafür, dass die nach den beiden benannte Fischer-Tropsch-Synthese nach dem Zweiten Weltkrieg unrentabel wurde. Jetzt – vor dem Hintergrund des Klimawandels und zumindest mittelfristig knapper und teuer werdenden Erdöls – setzt erneut ein Sinneswandel ein. Am Clausthaler Umwelttechnik-Institut (CUTEC) wird zurzeit das Verfahren reaktiviert. Statt Kohle soll zum Beispiel Restholz aus den Wäldern oder auch Stroh zum Einsatz kommen.Eine Demonstrations-Pilotanlage gibt es hier bereits, in der die Biomasse-Vergasung und Rohgasreinigung realisiert sind. In den nächsten Schritten, nämlich der Gasaufbereitung, LPG-Synthese und Nutzung der Nebenprodukte gibt es noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Die letzte Stufe auf dem Weg zum fertigen Kraftstoff kann schon als erledigt abgehakt werden: Die Produktaufbereitung ist Stand der Technik.

Entscheidend ist, ob sich das Ganze rechnet.

Andreas Lindermeir1

Dr. Andreas Lindermeir

Dr. Andreas Lindermeir, Abteilungsleiter Prozesstechnik am CUTEC, hat da angesichts der derzeitigen politischen Rahmenbedingungen gewisse Zweifel. Auf rund 109 Mio. Euro hat er die Investitionskosten einer 100 Megawatt-Anlage geschätzt. Mit LPG ließe sich danach ein jährlicher Ertrag von 1,05 Mio. Euro erzielen, aus dem Verkauf der Wärme 6,2 Mio. Euro und aus der Stromerzeugung 20,5 Mio. Euro. «Schuld» ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das das Verbrennen aller Nebenprodukte wie Methan, Ethan und Naphtha (Rohbenzin) wirtschaftlich viel attraktiver macht als die Produktion von Autogas.

Aber Lindermeir will ja keinen Strom erzeugen, sondern Bio-Autogas. Entsprechend forscht er an einem optimierten LPG-Konzept, bei dem die Produktionsmenge mittels sogenannter Dampfreformierung und Naphtha-Upgrading bis auf den theoretisch möglichen Maximalwert von 32 Megawatt gesteigert werden soll. Welche Auswirkungen das optimierte Konzept auf die Investitionskosten als auch auf die Erträge haben würde, kann der Clausthaler Wissenschaftler zurzeit noch nicht sagen. Auch der praktische Nachweis der optimierten Werte steht noch aus.

Der Bio-Hype hat ein weiteres Problem: Das Biomasse-Potenzial ist begrenzt und so besteht die Gefahr, dass die Pflanzenproduktion für Öko-Kraftstoffe in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion tritt. Oder – siehe Südamerika – es werden sogar Wälder gerodet, um auf ihnen die begehrten, ertragreichen Gewächse anzubauen. «Wir können nicht jede Brachfläche mit schnell wachsenden Pflanzen besetzen», warnt Dr. Mario Mocker vom ATZ Entwicklungszentrum im bayrischen Sulzbach-Rosenberg. Der Wissenschaftler hat einen interessanten Alternativansatz: Die Sabatier-Reaktion – benannt nach dem französischen Chemiker Paul Sabatier. Durch die Reduktion von Kohlendioxid mit Wasserstoff werden zunächst Methan (CH4) und Wasser gebildet. Mithilfe von Katalysatoren könnten anteilig auch höherwertige Kohlenwasserstoff-Verbindungen wie Propan und Butan produziert werden.

Der Wasserstoff könnte mittels Elektrolyse aus Überkapazitäten von Kraftwerken gewonnen werden. Ebenfalls an Kohlekraftwerken fallen zugleich große Mengen CO2 an, die so nicht in die Umwelt abgegeben würden. Das Methangas will Dr. Mocker im Erdgasnetz speichern: «Dort ist mehr Platz als elektrische Speicher bieten können.»

Einen ganz anderen Weg beschreitet Prof. Dr. Kai-Uwe Hinrichs vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften MARUM der Universität Bremen. Ein Weg, auf den er durch Zufall gestoßen ist. Der Biogeochemiker untersuchte südlich der Galapagos-Inseln und vor Peru Ablagerungen, die der Bohrer des Expeditionsschiffes «JOIDES Resolution» aus 400 Metern unter dem Meeresboden heraufbefördert hatte. Hinrichs Interesse galt chemischen Prozessen in der tiefen Biosphäre. «Wir hatten so viel Material zu bearbeiten, dass sich die fast 1.000 Probengläschen mit den bis zu 40 Millionen Jahre alten Meeresablagerungen schnell türmten», berichtet der Wissenschaftler.

Als endlich die «älteren» Proben untersucht werden konnten, stellte Hinrichs ungewöhnliche Konzentrationen von Ethan und Propan und sogar Spuren von Butan fest. Sie konnten nur während der Zeit im Probenglas aus den Sedimenten entwichen sein. Der Bremer Forscher wies inzwischen nach, dass Mikroorganismen die Gase gebildet hatten. Das funktioniert nicht nur mit Sedimenten aus Tiefseebohrungen – bei Experimenten mit Nordsee-Schlamm wurden ebenfalls Ethan und Propan freigesetzt.

Kai-Uwe Hinrichs

Dr. Kai-Uwe Hinrichs

Jetzt gilt es zu erforschen, welche Organismen an der Gasproduktion beteiligt sind. Die bisherigen Experimente lassen die Vermutung zu, dass es sich um recht einfache Mikroorganismen handelt, durch die die höherwertigen Kohlenwasserstoffe gebildet werden. Mit der Zugabe von Substraten ist es den Wissenschaftlern schon gelungen, die Gasmenge zu erhöhen. «Wir machen Fortschritte und haben die Ausbeute steigern können», erläutert Hinrichs, der zugleich einräumt, dass die Mengensteigerung bei Propan derzeit deutlich schwieriger sei als bei Ethan. Ohnehin ist das Projekt bislang noch im Laborstatus. Die Quantifizierung der Kohlenwasserstoffe erfolgt mit Gaschromatographen.

«Von brennbaren Mengen sind wir noch entfernt», bremst der Biogeochemiker überzogene Erwartungen hinsichtlich eines Projektabschlusses, «es kann schnell gehen, es kann aber auch Jahre dauern.» Erste Ergebnisse jedoch will Prof. Hinrichs noch in diesem Jahr veröffentlichen.

Drei Beispiele auf dem Weg zu Bio-Autogas – und bei Weitem nicht die einzig denkbaren Wege.

Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, dass 2050 die Hälfte des Energiebedarfes in Deutschland aus regenerativen Quellen stammen soll.

Frank Bonaldo: «Das heißt aber auch, dass der andere Teil aus fossilen Brennstoffen besteht.» Und da hat Autogas mit 15 Prozent weniger CO2 als Benzin schon heute Pluspunkte gesammelt.

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