Radwege: Ein Bürgerprojekt in NRW


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Ein Radweg an einer Landesstraße, der mitten durch eine Scheune führt – eigentlich undenkbar. Doch am nördlichsten Zipfel Nordrhein-Westfalens gibt es einen solchen Radweg, genauer an der L 584 zwischen Westerkappeln-Seeste und der Landesgrenze zu Niedersachsen. Das Zauberwort heißt „Bürgerradweg“. Mit ihm wird manches möglich, an dem sich Behörden allein die Zähne ausgebissen hätten. Wenn sie denn überhaupt hätten beißen wollen. In Zeiten leerer Kassen gäbe es viele Radwege gar nicht, wenn nicht die Anwohner aktiv mit angepackt hätten. So aber sind in zehn Jahren im Münsterland in 145 Bürgerradweg-Projekten zusätzliche 220 Kilometer für das umweltfreundliche Verkehrsmittel entstanden.

Foto: Gregor Mausolf
„Am Anfang steht immer ein Verein“, erläutert Dipl.-Ing. Hubertus Ebbeskotte von der Niederlassung Münsterland bei Straßen NRW. Seine Behörde braucht schließlich konkrete Ansprechpartner, die das gesamte Projekt begleiten und nach vorne bringen. Mit ihm werden in einer Vereinbarung die Rahmenbedingungen festgelegt. Ebbeskotte fasst kurz zusammen, worauf es seiner Meinung nach ankommt: Ressourcen koordinieren – Bürgerengagement aktivieren – Standards reduzieren – Beratung gewährleisten – unbürokratisch umsetzen – kostengünstig bauen.

200.000 bis 250.000 Euro pro Kilometer kostet normalerweise ein Radweg an einer Landesstraße. Mit dem ehrenamtlichen Engagement ganzer Nachbarschaften, Schützen- oder Sportvereinen reduzieren sich die Kosten auf weniger als die Hälfte. Das Land NRW gibt 40.000 Euro pro Kilometer aus dem Topf „Bürgerradwege“ dazu, in dem aktuell für das Münsterland pro Jahr rund 0,5 Mio. Euro sind. Der Kreis Steinfurt zum Beispiel – in dem Westerkappeln liegt – legt 15.000 Euro pro Kilometer oben drauf. Der Rest muss von den Vereinen irgendwie besorgt werden. Viel läuft über Sponsoren, Volksfeste, Verkauf von „Radwegaktien“ oder auch den kostenlosen Arbeitseinsatz von örtlichen Tiefbauunternehmen. Auch die Kommunen steuern meist ihr Scherflein bei.

Sendenhorst
Ein Knackpunkt beim Straßenbau ist oft der Grunderwerb. Mit nachbarschaftlicher Unterstützung gehen oft Dinge, die eine Behörde selbst mit viel Geld und viel guten Worten allein nicht hinbekommen hätte. Siehe die Scheune in Seeste oder Radwege, die hinter eine gemauerte Hofeinfriedung verspringen, die dort schon seit Generationen steht. „Geht nicht, gibt’s nicht“ – lautet da die Devise. Und manchmal reden Nachbarn wieder miteinander, die sich über viele Jahre nur die Tageszeit gesagt haben.

Ohnehin stärkt der gemeinschaftliche Radwegebau das Wir-Gefühl, und mancher samstägliche Arbeitseinsatz mündet in einen abendlichen Umtrunk auf dem nächsten Bauernhof oder direkt auf der neuen Trasse. In Westerkappeln hat der eigens gegründete Verein „IG Seester Radweg e. V.“ sogar T-Shirts bedrucken lassen – mit eigenem Logo und dem Slogan „Ein Radweg verbindet“. Und die Fahrten mit dem „Taxi Mama“ sind auch weniger geworden, weil Eltern wissen, dass der Nachwuchs jetzt sicher zu seinen Freunden, zum Sportplatz oder zum Reitunterricht radeln kann.

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