Rote Linie 3000: Mit dem Geländewagen über die magische Linie


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Tre Mille Metri – so nannten unsere italienischen Freunde unser schwer kalkulierbares Unterfangen, die magische Linie von 3.000 Höhenmetern mit vier Geländewagen zu überschreiten. Nein, nicht mit diesen weichgespülten Dingern, die heute auf Denglisch SUV heißen und am nächsten Ackerrand erbarmungsvoll stranden. Nein, gemeint sind echte Kerle auf vier Rädern und mit 4x4-Antrieb, die mit ausreichend Luft unterm Kiel und Reduktionsgetriebe aufwarten. Dazu genügend Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, um einem Berge-Leo Konkurrenz machen zu können. Jedenfalls fast.

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Der Winter in der italienischen Alpenprovinz Piemont war lang, hart und enorm schneereich. Noch im Mai hatte es einen fetten Meter neue Flockenpracht gegeben. Danach schickte ein Genua-Tief reichlich Warmluft mit tagelangem Regen. Diese teuflische Mixtur sorgte anschließend für mächtige Lawinen- und Murenabgänge im gesamten Rochemolles-Tal oberhalb der olympischen Wintersportstadt Bardonecchia.

Die Polizia Municipale, Stadtpolizei, hatte uns auf schwierigste Verhältnisse noch Anfang Juli
hingewiesen,

zudem auf die offizielle Streckensperrung am Wochenende, damit die Natur nicht überstrapaziert werde. Es war die Wahrheit.

Um die 3.000-Höhenmeter-Grenze zu bewältigen, die zugleich den Grenzgrad zwischen Italien und Frankreich bildet, muss ein langer Anstieg über mehrere stufenförmig ineinander gehende Hochtäler in Kauf genommen werden. Für unsere vier klassischen Allradgefährte(n) quasi der Himmel auf Erden – das ist artgerechte Haltung im Offroad-Segment. Die erste Phase erstreckt sich auf engstem Asphalt von Bardonecchia bis nach Rochemolles. Ab da geht es im staubigen Schotter hinauf zum 1.978 Meter hoch gelegenen Rochemolles-Stausee. Das sind die ersten 700 Meter Höhendifferenz. Ein flacher Abschnitt durch lichten Wald, vorbei an Wassertreppen folgt, und es geht ins nächste Hochtal, das mit zwei Miniseen direkt unter dem gigantischen Wasserfall endet, der von den Ewigschneefeldern der Rognosa di Etiache (3.382 Meter) gespeist wird. Daneben das Rufigio Scarfiotti, eine propere Berghütte, in der Wanderern und Mountainbikern im Sommer eine herzhafte Jause kredenzt wird.

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Es folgt: die erste echte Bewährung. In zahllosen Spitzkehren schraubt sich der rumpelige Trail hauteng am harten Fels entlang hoch ins nächste Tal. Auf kurzer, steiler Strecke werden so rund weitere 300 Höhenmeter gewonnen. Langsam, im zweiten Gang der Untersetzung, nähern wir uns den ersten Schneefeldern, die aber leicht durchpflügt werden können. Wir sind wohl die ersten, die in diese Höhe vorstoßen, denn die letzten Reifenspuren liegen weit zurück. Die Flanken des Tales sind weiß wie im Winter. Meterhoch lagert der Altschnee in den Kars und Couloirs. Einen halben Liter Sprit weiter dann die erste Breitseite quer überm Trail. Die Messung ergibt eine Dicke von etwa einem halben Meter. Wir hacken eine Rille bergseitig hinein, legen alle Differenzialsperren ein und kriechen mit sanftem Dampf hindurch. Geschafft. Die Temperatur liegt bei 12 Grad, es ist 14 Grad kälter als im Tal ganz unten. Langsam und vorsichtig krabbeln wir eng am Rio di Fond entlang, gewinnen derzeit nur langsam an Höhe. Der Aneroid zeigt uns 2.739 Höhenmeter an, das GPS bestätigt den Wert, der Atem wird kürzer. Am kleinen Schmelzwassersee Lago Pataré killt ein sich aufbäumender Granitsplitter den rechten Hinterlauf des Patrol GR.

In dieser Höhe einen Radwechsel vorzunehmen, ist Schwerstarbeit.

Zumal der Wagenheber seinen Geist aufgibt und einer der Pajeros hilfreich einspringt: Völkerverständigung unter automobilen Mitbewerbern. Weiter geht’s. Die nächste Schneebarriere legt sich quer. Über einen Meter dick mit fester Eisplatte drunter, aber durch die Wärme angesoftet, höchste Vorsicht ist angesagt. Normal würden wir jetzt auf Abbruch entscheiden, doch der FJ Cruiser ist extrem höhergelegt. Wir versuchen die Querung. Richtig mit gezieltem Dampf aus den 270 PS des Sechszylinders. Rauschzustände mit einer Extraportion Adrenalin häufen sich bei Fahrer und Beifahrer. Es gelingt, und auch der Rest der Gruppe kommt durch. Die letzte Stufe im letzten Hochtal wird angegangen.

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Inzwischen wissen wir, wie man Altschneefelder sicher angeht. Der kleine Gletschersee am Passo Rognosa ist sicher unter den Schneemassen verdeckt, wir erklimmennoch die allerletzte kurze Stufe im aperen Gestein und stehen auf 3.033 Metern Höhe, direkt am immer schmaler werdenden Glacier Sommeiller. 4 Grad über Null signalisiert das Außenthermometer, es «zieht wie Hechtsuppe», die Thermojacken werden ausgepackt, obwohl der heiße Planet uns schier flambieren möchte. Am Ende sind acht Geländefreunde ein wenig stolz. Auf ihre Fahrzeuge, aber auch auf sich selbst.

Ihr Fazit: Ohne Eis und Schnee wäre es sicher leichter gewesen, und genau so sicher nicht so spannend.

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