Senkrecht-Starter Malmö


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Mancher Betrachter denkt an italienische Fusilli, andere an Lakritzstangen. Egal – sicher ist, dass sich im Stadtteil Västra Hamnen von Malmö der höchste Wolkenkratzer Skandinaviens seit dem Jahr 2005 über 54 Stockwerke und 190 Meter hoch wie ein Korkenzieher in den stahlblauen Himmel schraubt.

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Jedes Geschoss ist um rund 1,6 Grad zur darunter liegenden Etage versetzt. Auf die ganze Länge verdreht sich der „Twisting Torso“ so um 90 Grad. Eine Konstruktion, die den Besucher schwindelig macht, je näher er dem Bauwerk kommt. Und auch die Mieter und Eigentümer der Büros und Wohnungen haben so ihre Probleme. Es gibt praktisch keine geraden Winkel: ein Alptraum für jede gestandene Schrankwand. Auch die Fenster laufen weg. Wie lässt sich da ein Vorhang installieren?

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Doch wiegen diese „kleinbürgerlichen“ Nachteile wohl nicht viel im Vergleich zur Exklusivität und dem ungehinderten Blick auf den Öresund und die gleichnamige Brücke, die in der Realität überhaupt nichts von dem Grusel und Schrecken vermittelt, die ihr die TV-Fernsehstaffel mit Kommissar Martin Rohde und der schwedischen Kollegin Saga Norén andichten. Im Gegenteil: Täglich pendeln rund 28.500 Menschen mit dem Auto oder Zug zwischen den Metropolen Malmö und Kopenhagen. Und da das Leben in Dänemark ein bisschen teurer ist und bessere Löhne gezahlt werden, können die mobilen Schweden auch die saftigen Mieten im Torso finanzieren. Sie liegen monatlich zwischen 750 Euro für eine Einzimmerwohnung und 2.800 Euro für eine Wohnung von 180 Quadratmeter, die dann allerdings mit Marmor und Holzfußboden garniert ist.

Der faszinierende Wolkenkratzer dominiert einen Stadtteil, in dem vor wenigen Jahrzehnten eine Werft herrschte, die noch zwischen 1950 und 1960 zur Weltelite zählte. Die Spezialität war die Herstellung großer Frachtschiffe – bis zur Strukturkrise in den späten 80er-Jahren. Tausende Arbeiter verloren ihren Job und Malmö fragte sich, was es mit dem niedergehenden Stadtviertel anfangen sollte.

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Illmar Reepalu, seit 1994 Bürgermeister, formulierte die Vision: “Wir befanden uns in der größten vorstellbaren Krise. Es stellte sich die Frage, welchen Weg wir einschlagen sollten.“ Die drittgrößte Stadt Schwedens entschied sich, ein Zentrum des Wissens zu werden und gründete eine Universität. Parallel entstand auf dem alten Werftgelände ein vielfach preisgekröntes Areal unter anderem mit folgenden Merkmalen: 100 Prozent erneuerbare lokale Energie, pneumatisches Abfall-Sammel-System, Niedrig-Energie-Häuser und grüne Dächer.
Fast fünfhundert Kilometer Radwege laden die Einwohner in der ganzen Stadt ein, das Auto stehen zu lassen.

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Das System funktioniert mit eigenen Ampeln inklusive Haltestangen, eigenen Kreisverkehren und Mülleimern, die so schräg stehen, dass sie auch ein Biker im Vorbeifahren trifft. Überall in der Stadt sind öffentliche Luftpumpstationen aufgestellt – es ist einfach bis zu Ende gedacht. Und immer wieder diese weitläufigen Parks mit Seen, Kanälen und botanischen Gärten, mittendrin Ausflugscafés. Keine Frage, Malmö hat den Wandel in die neue Zeit geschafft. Dafür spricht schon das niedrige Durchschnittalter der stetig wachsenden Bevölkerung: Es liegt bei 36 Jahren.

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