Skelette, Diamanten, Haifischzähne …


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Eine Kurztrilogie, die einen sicheren Plot für einen gelungenen TV-Krimi hergeben würde. Es kam aber alles ziemlich anders. Südafrika? Ja, dort irgendwo zwischen dem Tafelberg und der Grenze zu Namibia. Da lag mal ein Pfad längs des Südost-atlantiks, der etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts von Kaufleuten hart an der Küste entlang hochgetrieben wurde, um Handelswaren mannigfacher Art zu Lande von Kapstadt aus in die Kleinstädte und Dörfer in Richtung Namibia zu transportieren. Clever, dachten die Buben damals: Zwischen Wüste und Meer, nahe am Wasser also, kann nichts passieren, keiner verdursten und Schiffe sieht man ohnehin ständig. Dass das Meerwasser wegen seines Salzgehalts ungenießbar ist, hatte man damals wohl übersehen.

DCF 1.0

Eine Handvoll Freunde und Kollegen machte sich 150 Jahre später auf die Suche nach diesem Handelsweg. Mit echten Allradlern, dazu noch ein paar 4×4-Pickups der Sorte «Unkaputtbar». Kartenmaterial? Null Erfolg. Die Jungs der Agentur «Scan Africa» aber wussten Bescheid. So brachen wir auf und suchten nach dem Trail, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts dann «Diamond Coast Trail» genannt wurde, weil erste erfolgreiche «Digger» (Schürfer) ein paar Splitter reiner Diamanten fanden. Der Erfolg wurde System und einer der weltgrößten Diamanten-Handelsbetriebe übernahm das Fundgebiet, weitete es aus und begann professionell zu schürfen. «De Beers Mining Company Namaqualand» hieß fortan das Areal. Und man musste gar nicht tief graben, um erfolgreich zu sein: Im Sediment zwischen 5 und 35 Metern Tiefe fanden sich immer mehr Diamanten. Es war dennoch eine mühsame Suche.

Durch wüsten- und savannenähnliche endlose Landstriche quälten wir uns bis nach «Kleinzee», ein Burenname aus damaliger Gründung. Dann ging es erst richtig zur Sache: Abgrundtiefer Feinsand stemmte sich oft erfolgreich den vier angetriebenen Rädern entgegen, hieltsie fest, hinderte sie am Weiterfahren. Graben hieß es dann, bis mit Drehmoment und wenig Gas die Situation bereinigt war. Dann durften wir mal bei de Beers zu Besuch einfahren. Wir lernten und staunten:

Um ein Karat (= 205 Milligramm) des «Glitzerkrams» zu erwirtschaften, müssen 15 Tonnen Schotter mit Baggern der Wüstenfläche entrissen werden.

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Dann wird das Ganze sechsmal geschreddert, gesiebt, sortiert, gewaschen und zum Schluss handverlesen. Insgesamt müssen so 90 Tonnen Material bewegt werden. Entstanden waren die Brillis durch Druck, auch unter dem Meer. Daher die küstennahe Gewinnung. Im ausgeschwemmten nassen Sediment, das der Natur anschließend zurückgegeben wurde, fanden wir ein paar Stückchen versteinertes Holz und etliche versteinerte Haifischzähne, Jahrmillionen alt. Das macht andächtig und stolz zugleich. Noch vor vier Jahren arbeiteten hier bei de Beers gut über 2.000 Leute, derzeit sind es nur noch knapp über 200. Einerseits sind die Weltmarktpreise für die Brillis abgestürzt, zum anderen gehen die leichter erreichbaren Diamantenfunde heftig zurück, sodass die Wirtschaftlichkeit der Edelsteingewinnung hier nicht mehr attraktiv genug ist. Weiter ging es auf dem Kurs Westnordwest auf den kaum mehr sichtbaren Spuren des alten Handels-Trails durch Tiefsand und abgestorbene, glasharte Büsche. Es war heiß und die Konzentration beim Fahren ließ den Puls an gerade noch vertretbarer Obergrenze pochen. Immer wieder umschlang der mehlartige «Fech-Fech»-Feinstsand die Räder als wolle er uns davor warnen, weiterzufahren. Hohe und steile Dünen forderten Mut und scharfes Auge, da die Neigungswinkel nur knapp unter der Kippgrenze lagen. Wir erhielten die höheren Weihen des grenzwertigen Offroadfahrens.

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In einem weiten Dünental dann eine Riesenüberraschung: ein Straußengelege, von den Eltern verlassen. Da wird der Nachwuchs schon dezimiert, bevor er auf die Welt kommt. Übernachtung im verlassenen Digger-Nest namens «Noup». Die Steinhäuschen der Glücksritter stehen noch immer, sind stabil aus Stein und Blech gebaut, wind- und sanddicht. Urgemütlich, und das Tosen des nahen Meeres wiegte uns in den Tiefschlaf. Die Orientierung wäre zur Katastrophe geworden, der alte Pfad war nicht mehr zu erkennen, die ins Meer wachsende Wüste war dafür verantwortlich. Aber die Grenze zwischen Sand und Wasser war ja optisch klar definiert.

Nur solange, bis wir aus einer langen Dünen-Verschneidung mit Nullorientierung urplötzlich vor einem gigantischen braunen Rosthaufen standen. Ein Schiff!

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Inmitten heißen Sandes und glatt geschliffener Strandfelsen. Fata Morgana? Sind unsere Hirne schon soweit dehydriert und paralysiert, dass wirdie Handynummer vom Tour-Doc bereit halten sollten? Der Schiffskörper warnoch klar zu erkennen, aber vom Salzwasserdunst, von den Sandstürmen zerfressen. Armdicker Rost auf massiveisernen Teilen: Die Winch (Ankerwinde) zeigte noch viel von ihrer ehemaligen Funktion. Dort, wo nur zentimeterstarke Eisenplatten die Wände bildeten, war klarer Durchblick zwischen den Spanten angesagt.

Wie kamen diese Schiffe denn hierher? Im berüchtigten Küstennebel war Navigieren nur «auf Sicht» schwierig und nicht ungefährlich. Radar und Satellitennavigation gab es noch nicht. Irgendwann hielten dann die fast 800 Kilometer langen küstennahen Sandbänke unter der Wasseroberfläche die Frachter fest, saugten sie unentrinnbar und ohne Gnade in den Schlick. Da ging nichts mehr. Während sich meist die Mannschaft noch schwimmend und paddelnd an das nahe Land retten konnte, gingen Schiff und Ware rettungslos verloren. Und so liegen heute alleine im Bereich der Republik Südafrika an die hundert Schiffswracks meeresnah im Tiefsand und verrotten über die Jahrhunderte. Tag für Tag löffelten wir uns den Sand aus Augen, Mund, Ohren und Nase. Im Schuhwerk hatte sich auch schon ein Pfund des feinkörnigen Granulats angesammelt und die Schlafsäcke wurden immer schwerer. Irgendwann durften wir, kurz vor der namibischen Grenze, wieder auf festes Geläuf auftreffen. Springbok war erreicht, 40 Grad Celsius flambierten Hirn und Herz. Dann segelten wir mit einer betagten, aber exzellent gepflegten DC-3 nach Kapstadt zurück.

Die Duschwasserrechnung zahlte gottlob das Hotel …

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