Wenn man versucht, sich in die Anfangszeit der Marke Peugeot am Beginn des 19. Jahrhunderts zurückzuversetzen, glaubt man das Rauschen eines Baches zu hören, der das mächtige Rad einer Getreidemühle antreibt. Sie verrichtet ihr Tagwerk in der kleinen französischen Ortschaft Hérimoncourt, rund 100 Kilometer westlich vom schweizerischen Basel gelegen. Betrieben wird sie von den Gebrüdern Jean-Frédéric und Jean-Pierre Peugeot, die einer Müller-Familie aus der Region Montbéliard entstammen. Ab 1810 betreten die beiden Neuland und bauen ihren Mühlenbetrieb sukzessive zu einer Stahlgießerei aus. Das Zeitalter der industriellen Revolution ist angebrochen, und das Unternehmen «Peugeot Frères» wächst so rasant wie die Produktionsziffern der Baumwollindustrie, in der von Dampfmaschinen angetriebene Webstühle den Wandel von der Manufaktur- zur Fabrikproduktion eingeleitet haben.
Die Peugeots bleiben indes der Stahlverarbeitung treu. Zunächst fertigt das Unternehmen in erster Linie Federn für die örtliche Uhrenindustrie, bevor ab 1818 auch Werkzeuge die Produktpalette bereichern – darunter qualitativ hochwertige Sägeblätter, deren Zähne an den Rachen eines Löwen erinnern. 1847 beauftragen Jules und Émile Peugeot, Jean-Pierres Söhne, schließlich den in Montbéliard ansässigen Goldschmied und Graveur Justin Blazer, ein Markenzeichen für die von ihnen hergestellten Werkzeuge, vor allem ihre mittlerweile berühmten Sägeblätter, zu entwerfen.
Die beiden erfolgreichen Fabrikanten, die das Unternehmen kontinuierlich erweitern, haben klare Vorstellungen: Sie bitten Blazer, einen Löwen zu entwerfen, denn der König der Tiere versinnbildlicht perfekt die drei wichtigsten Eigenschaften der Peugeot-Sägeblätter: Widerstandsfähigkeit, Geschmeidigkeit und Schnelligkeit. Ein Löwe ist zudem auch das Wappentier der Franche-Comté und damit der Region, in der die Geburtsstätte von Peugeot liegt. Als König der Tiere soll er Stahl der höchsten Güteklasse kennzeichnen, während für weitere Qualitätsstufen sowie für andere Werkzeuge eigene Symbole verwendet werden – zum Beispiel ein Halbmond, eine Hand, ein Stern, ein Hirsch, ein Anker oder ein Auge.
Jules und Émile Peugeot entscheiden sich schließlich für einen Löwen in Seitenansicht über einem Pfeil, der ab 1850 ihre Sägeblätter ziert. Erst am 20. November 1858 wird das Raubtier, «mit oder ohne Pfeil», beim Kaiserlichen Konservatorium für Kunst und Handwerk (Conservatoire Impérial des Arts et Métiers) jedoch als gesetzlich geschütztes Warenzeichen registriert. Bis Mitte der 1880er-Jahre setzt sich der Löwe dann als firmenweites Markenzeichen des Unternehmens «Peugeot Frères» durch – das mittlerweile neben Sägen so unterschiedliche Produkte wie seine berühmte Kaffeemühle oder Korsettstangen herstellt.
Das erste Automobil präsentiert schließlich Armand Peugeot, der Sohn von Émile, und zwar auf der Weltausstellung in Paris 1889. Es handelt sich um ein «Tricycle» (Dreirad), das von einem Serpollet-Dampfmotor angetrieben und deshalb auch als «Serpollet Peugeot» bezeichnet wird. Schon ein Jahr später entscheidet sich Armand Peugeot aber für die noch junge Technik des Verbrennungsmotors.
Sein Typ 2, ein vierrädriges Fahrzeug («Quadricycle»), ist mit einem Daimler-Aggregat ausgerüstet. Ab 1896 produziert Armand Peugeot schließlich in der in Lille gegründeten «Société Anonyme des Automobiles Peugeot» ausschließlich Personen- und Lastkraftwagen mit Benzinantrieb.
Auf seinen Automobilen sucht man den Löwen jedoch zunächst vergeblich.
Armand begnügt sich mit dem Schriftzug «Automobiles Peugeot» auf dem Kühler. Im Gegensatz dazu greift die parallel zu «Automobiles Peugeot» existierende Firma «Les Fils de Peugeot Frères», die zunächst alle nicht zum Automobilzweig gehörenden Werke weiter betreibt, die Löwen-Symbolik auf ihren ab 1905 gebauten Fahrzeugen gleich in zweifacher Hinsicht auf: Sie tauft ihre Autos auf den Namen «Lion (frz. Löwe) Peugeot» und entscheidet sich für den Löwen auf einem Pfeil als Markenlogo. Während Armand Peugeot anspruchsvolle Fahrzeuge fertigt, sind die kleineren Lion Peugeot-Modelle eher für breite Käuferschichten konzipiert. Daher treten die beiden Firmen nicht in direkte Konkurrenz.
Bis sich das heutige Erscheinungsbild auf Automobilen etabliert hat, muss der Peugeot-Löwe mehrere Verwandlungen über sich ergehen lassen: nach der Fusion der Firmen «Automobiles Peugeot» und «Fils Peugeot» im Jahr 1910 zur »Société Anonyme des Automobiles et Cycles Peugeot» ziert zum Beispiel noch der auf einem Pfeil schreitende Löwe den von Ettore Bugatti entworfenen, ab 1913 gebauten «Bébé Lion Peugeot» – einen erschwinglichen Kleinwagen, der zum ersten Verkaufsschlager für Peugeot wird.
Ab Mitte der 1920er-Jahre können die stolzen Käufer eines Peugeot eine kleine Bronzeskulptur erwerben, die einen stehenden Löwen mit erhobener Pranke darstellt.
Ab 1933 wird stattdessen ein Löwenkopf als Kühlerverschluss eingeführt. Zum Modelljahr 1959 wird der plastische Löwenkopf endgültig abgeschafft, weil er bei Kollisionen mit Fußgängern und Radfahrern eine potenzielle Gefahr darstellt – ein frühes Beispiel für die Bemühungen um den Schutz aller Verkehrsteilnehmer.
Auf dem ab 1948 gebauten Peugeot 203 taucht schließlich der Löwe aus dem Wappen der Franche-Comté auf, der auf den Hinterläufen steht und die Tatzen hebt. Damit ist er der direkte Vorläufer des aktuellen Markenlogos. In den 1960er-Jahren verwendet Peugeot auf Automobilen zudem Markenembleme, die einen Löwenkopf in Seitenansicht zeigen. Das Markenlogo von Peugeot in seiner heutigen Form wird 1998 eingeführt und 2002 letztmalig überarbeitet.
Das 50-millionste Peugeot-Automobil mit Verbrennungsmotor, das seit 1891 hergestellt wurde, lief im vergangenen Juni im Werk Sochaux vom Band. Heute ist der Autohersteller Peugeot in über 150 Ländern vertreten und baut seine Fahrzeuge weltweit in 24 Werken.
Produziert werden nach wie vor aber auch Haushaltsgeräte wie Salz-, Pfeffer- und Kaffeemühlen,
außerdem Fahr- und Motorräder, Stahlerzeugnisse und Werkzeuge. Und der Löwe? Er ist das stolze Bindeglied zwischen den Geschäftsbereichen geblieben – wie es sich für den König der Tiere gehört.