Mitten auf der Ulica Piotrkowska, die quirlige Flaniermeile, die sich knapp fünf Kilometer durch die Altstadt zieht. haben sich drei in Bronzegegossene Textilbarone um einen Tisch versammelt. „Diese drei Herren haben mit ihren Zukunftsvisionen aus der unbedeutenden Kleinstadt ein wichtiges Wirtschaftszentrum gemacht“, erklärt Boguslaw Szubert. Auf Schritt und Tritt wandeln wir auf den Spuren der Patrioten, die das einst verschlafene 200- Einwohner-Nest im 19. Jahrhundert zu einer Textilmetropole mit rasantem Aufschwung verwandelt haben. Die prachtvollen Paläste des jüdischen Unternehmers Izrael Poznánski und der beiden deutschstämmigen Industriellen Henryk Grohmann und Karol Scheibler haben die DNA der Stadt geprägt.
Mit der politischen Wende in Polen kam der Niedergang der Textilindustrie. Für die brach- liegenden Fabriken eröffnete sich nach der Jahrtausendwende jedoch eine neue Blütezeit. Aus dem ehemaligen Poznánski-Imperium wurde das Freizeitzentrum „Manufaktura“, in der pompösen Villa Scheibler im idyllischen Viertel Ksiezy Mlyn (Pfaffenmühle) zog ein beeindruckendes Kinomuseum ein.
Schon nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die polnische Filmwelt in Łòdz eingerichet. „Wir sind das Hollywood des Ostens“, sagt der Stadtführer stolz lächelnd. Damals waren die Kreativen der Filmszene in Aufbruchstimmung. Im zerstörten Warschau fanden sie keinen Platz für die Umsetzung ihrer Ideen. Deshalb machten sie sich auf ins geografische Zentrum Polens, wo sie nicht zuletzt das liberale Klima fanden, in dem mit Roman Polanski oder Andrzej Wajda die Avantgarde der Szene Meilensteine in der Filmkunst setzte. Auf dem „Walk of Fame“ mitten auf der Flaniermeile sind die beiden Genies verewigt.
Ein weiteres denkmalgeschütztes Textilfabrikgebäude wurde zur Kreativ-Schmiede der Neuzeit:
Junge Künstler und Designer haben hier ihre Concept Stores eingerichtet. Kleine Cafés, vegane Restaurants und Bars tragen zur zwanglosen Atmosphäre bei.
Nach über hundert Jahren glanzvollem Aufbau, zu dem Polen, Deutsche, Russen und Juden im friedlichen Miteinander beigetragen hatten, kam im Dritten Reich das jähe Ende der Freiheit. 230.000 Juden und damit ein Drittel der Einwohner der polnischen Wirtschaftsmetropole (die heute wieder rund 700.000 Einwohner zählt) wurden in ein Ghetto gepfercht. Im damaligen Bahnhof wurde ein Dokumentationszentrum eingerichtet. Hier kann man die unfassbar leidvollen Zustände der Zeit erahnen.
Schon zu seinen Lebzeiten hatte Izrael Poznánski einen jüdischen Friedhof am Rande der Stadt anlegen lassen. Mit einem monumentalen Mausoleum auf der heute größten Begräbnisstätte der Juden in Europa hat sich der Textil-Tycoon ein Denkmal gesetzt. Sein Schloss nebst der angeschlossenen Fabrikanlage wurde bereits in der sozialistischen Ära unter Denkmalschutz gestellt. Ein Segen für die Stadt, denn damit waren die Weichen für die Zukunft gestellt. In den Sport- und Kulturzentren, den Restaurants und Geschäften der neuen „Manufaktura“ herrscht heute Leben und Treiben wie ehedem in der weitläufigen Textilfabrik. „Das hätte dem alten Poznánski bestimmt gefallen“, glaubt Boguslaw Szubert. Vermutlich hätte auch das den Theo nach Łòdz gelockt.
INFOS
Polnisches Fremdenverkehrsamt
Berlin, Tel.: 089 210092-0
www.polen.travel
Übernachten
Andel´s by Vienna House
Preisgekröntes Designhotel
auf dem Manufaktura-Areal.
Übernachtung im DZ
ab 95 Euro pro Person.
www.viennahouse.com
Manufaktura
Touristisches Informationszentrum
www.manufaktura.com
Währung
Für knapp einen Euro bekommt man derzeit 4 Zloty.