Unterwegs im Opel Kapitän von 1956


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„Ich will mit meinem BMW auch weiterhin ab und zu einen sauberen Drift in der Kurve hinlegen!“ Das sagt der Tankwart an der Avia-Nostalgietankstelle in Kniebis oberhalb von Freudenstadt, wo wir auf dem Weg zur Baiersbronn Classic einen kurzen Halt einlegen. Was er nicht will: In ein per Smartphone herbeigerufenes fahrerloses Taxi einsteigen und ihm per Sprachsteuerung ein Fahrtziel zurufen.

Wir verstehen gut, was er meint, denn wir sind mit einem Opel Kapitän aus dem Jahre 1956 unterwegs. Der entwickelt aus 2,5 Liter Hubraum zwar nur 75 PS, die über eine dreigängige Lenkradschaltung auf die hintere Antriebsachse übertragen werden. Aber wenn bei den Wertungsprüfungen mit einem gefühlvollen Tritt auf das Gaspedal Bewegung ins Fahrzeug kommt, ist mit allen Sinnen spürbar, was man mit diesem Druck verursacht hat.

Von der konkurrenzlos bequemen motorisierten Fortbewegung von Haus zu Haus – Stichwort: vollbeladen mit Kind und Kegel in den Urlaub – einmal abgesehen, ist es sicher ein Geheimnis der weltweiten Verbreitung des Automobils im vorigen Jahrhundert, dass der Mensch am Steuer seine Kräfte vervielfacht. Und: Dass ein technisches Gerät von einem oder zwei Tonnen Gewicht seinen Händen folgt, wenn er am Lenkrad dreht – seit der Erfindung der Servolenkung sogar spielerisch leicht. Schließlich kommt der Wagen – wiederum durch einen Pedaldruck – aus voller Fahrt im Idealfall genau dort zum Stehen, wo es der Fahrer beabsichtigt. Das Automobil hat den Menschen nicht allmächtig gemacht, ihn aber mit einer Macht ausgestattet, die weit über jene hinausgeht, über die in den Epochen davor Reiter und Kutscher verfügten.

Diese unmittelbaren Gefühle sind im Zeitalter elektronischer Fahrhilfen zum Teil verloren gegangen – vielleicht eine Ursache, warum sich die Fortbewegung in alten Autos im Allgemeinen und die Teilnahme an Oldtimer-Rallyes im Besonderen einer steigenden Beliebtheit erfreuen. Die rollenden Klassiker bringen es auch zu akuellem Fernsehruhm – so spielen ein Borgward Isabella-Cabrio und eine Mercedes Heckflosse gern gesehene Rollen im ZDF-Dreiteiler „Kudamm 59“, der das Lebensgefühl der späten 1950er Jahre wieder aufleben
lässt.

Unser Opel Kapitän ist wie seine Mitbewerber – teilnehmen dürfen bei dieser Veranstaltung Fahrzeuge, die 1975 oder früher gebaut worden sind – ein Kind der Mechanik. Die Gänge müssen behutsam gewechselt werden, manchmal klemmt oder kracht es sogar. Die Handbremse wird mit einer Art Krückstock betätigt, die ebenso wie die Lenkradschaltung eine durchgehende Sitzbank vorn ermöglicht, die unser Auto aber leider nicht hat. Auf- und Abblendlicht werden vom linken Fuß des Fahrers durch einen kurzen Tritt auf einen Knopf links vom Kupplungspedal geschaltet.

Wir wollen die Vergangenheit nicht verherrlichen und die Fortschritte in Sachen Sicherheit, Komfort und Umweltschonung nicht verschweigen. Aber damals gelang den Konstrukteuren, mit Hilfe großer Fenster eine beispielhafte Rundumsicht zu schaffen, Parkpiepser und Rückfahrkameras waren überflüssig. Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters und die Frage sei gestattet: Warum empfinden die Zuschauer einer Klassik-Veranstaltung die alten Kisten als schön, äußern immer wieder ungefragt und lautstark ihre Begeisterung? Ist das nur ein nostalgischer Rückblick in die eigene Jugend, oder haben die damaligen Designer – diese Berufsbezeichnung gab es in den 1950er Jahren noch gar nicht – mehr Herzblut ins Blechkleid gegossen?

www.baiersbronn-classic.de

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