Eine davon ist der Neubau der Lennetalbrücke bei Hagen. „Sie ist in Fahrtrichtung Frankfurt schon fertig, steht aber nicht auf ihren endgültigen Pfeilern“, erläutert Projektleiter Michael Neumann von Straßen NRW. Dorthin wird sie irgendwann im Jahr 2019 verschoben. 985 Meter Brücke wandern an einem Tag um 20 Meter nach Osten in ihre endgültige Lage. Die größte Schiebung, die die Republik je erlebt hat.
Die Lenne ist ein knapp 130 km langer beschaulicher Nebenfluss der Ruhr, meist nur wenige Meter breit. Seit 1967 wird ihr Tal von der knapp ein Kilometer langen Brücke der A45 gekreuzt.
—
Ab 2010 planten Ingenieure das Projekt,
Ende 2013 fiel der Startschuss für den Neubau,
der in fünf Phasen aufgeteilt ist.
—
Von der ersten Phase merkten die Autofahrer praktisch nichts. Westlich der bestehenden Brücke wurden Hilfspfeiler aus Ortbeton gegossen, wurden Widerlager errichtet. An beiden „Enden“ schweißten Arbeiter vorgefertigte Stahlelemente zusammen, fügten Verstrebungen an, versahen alles in einem riesigen Zelt nach gründlicher Reinigung mit einem Oberflächenschutz und einer Lackierung. Im Taktschiebeverfahren wuchs die Brücke von beiden Seiten aus in Richtung Lenne, gelagert auf den 13 provisorischen Pfeilern. Lediglich das mit 115 Metern deutlich längere und damit stärkere Feld über den Fluss wurde separat errichtet. Große Kräne legten Fertigteilplatten auf die Stahlkonstruktion, die dann vor Ort mit Beton ergänzt wurden.
Inzwischen rollt der gesamte Verkehr auf den neuen Fahrbahnen – zwei Spuren in Richtung Frankfurt, zwei in Richtung Dortmund. In Fahrtrichtung Frankfurt wird zusätzlich eine Rettungsgasse für Notfälle freigehalten. Die alte Brücke konnte komplett abgerissen werden. Kein leichtes Unterfangen, denn 27.000 m³ Beton mit umfangreichen Bewehrungen galt es zu entsorgen, ohne die Anlieger, die Lenne oder eine dazu parallel laufende Bahnlinie mehr als nötig in Mitleidenschaft zu ziehen. Teilweise arbeitete man mit Sprengungen.
Jetzt wiederholen sich auf der östlichen Seite in der alten Trasse die gleichen Arbeiten. Diesmal wird die Fahrtrichtung Dortmund im Taktschiebeverfahren von beiden Seiten in Richtung Lenne bewegt. Mit einem Unterschied: Sie lagert bereits auf ihren endgültigen Pfeilern, die aus Fertigelementen bestehen und vor Ort mit Beton ausgegossen werden. Schlanker und schöner als das Provisorium. Zwischen beiden entsteht eine dritte Pfeilerreihe. Eine Hilfskonstruktion schafft die Verbindung zum Provisorium.
Auf diesem wird irgendwann im nächsten Jahr die Fahrtrichtung Frankfurt mit Hydraulikzylindern („Litzenheber“) in die endgültige Position geschoben. Auf Teflonplatten und mit Spülmittel als Schmierstoff.
—
„Jetzt schon einen genauen Termin zu nennen,
wäre unseriös“, bremst Neumann die Erwartungen.
—
Die Querverschiebung übernimmt eine Schweizer Spezialfirma. Computergesteuert und laserunterstützt wird an allen Pfeilern für einen gleichmäßigen Vorschub gesorgt. Wenn’s irgendwo hakt, kann der Vorgang jederzeit unterbrochen und die Störung beseitigt werden. „Runterfallen wird uns die Brücke nicht“, da ist sich Projektleiter Neumann sicher.
Läuft alles glatt, ist die Brücke in ca. 24 Stunden da, wo sie endgültig hingehört. Dann beginnt Phase 5: Abriss der Hilfskonstruktionen, aufräumen und Renaturierung. Auch davon merkt der Autofahrer dann wieder nichts.
Fotos: Gregor mausolf