In einer der Zuschauerzonen bei der berühmt-berüchtigten Wertungsprüfung „Panzerplatte“ herrscht bei den internationalen Fans beste Stimmung. Mitten im ländlichen Nirgendwo des Truppenübungsplatzes Baumholder hat die lokale Feuerwehr einen kleinen Stand errichtet. Es gibt gekühlte Getränke, heißes Grillgut und Kaffee. Die Zuschauer sind dankbar und decken sich fleißig ein.
Die Rallye-Fahrzeuge lassen auf sich warten. Der Handyempfang ist schlecht. Er reicht nicht aus, um im Netz nachzuschauen, ob es Verzögerungen gibt. Doch dann: Das untrügliche Zeichen, dass die World Rallye Cars gleich über die mit Hinkelsteinen gespickte Strecke fliegen werden. Die schnellen Vorauswagen kommen: Einmal Romain Dumas im neuen Porsche Cayman RGT und die beiden Impreza vom Subaru Historic Rally Team. Die Fans wissen, jetzt geht es los. Entsprechend viele Kameras und Handys werden gezückt und vorbereitet.
Und dann kommen sie, die Stars der internationalen Rallye-Szene. Das Scheinwerferlicht ist auf den WM-Spitzenreiter Thierry Neuville, Verfolger Sébastien Ogier und den Dritten der Weltrangliste Ott Tänak gerichtet. Alle haben unterschiedliche Taktiken für die selektive Deutschland Rallye: Neuville will keine unnötigen Risiken eingehen, um die WM-Führung nicht zu gefährden. Im letzten Jahr hat er sich auf der Panzerplatte die Rad-aufhängung zerstört und ist ohne Punkte ausgegangen. Sébastien Ogier will Neuville angreifen, weiß aber mit all seiner Erfahrung, dass man nicht zu viel riskieren darf. Ott Tänak reist hingegen als Vorjahressieger der Deutschlandausgabe mit einer Menge Selbstvertrauen an. Im Moment hat er sowieso eine beindruckende Leistungskurve zu verzeichnen. Seine Devise ist „Maximum Attack“, denn um in der WM noch nach vorne zu kommen, muss er in den restlichen Rallyes in diesem Jahr die bestmögliche Punkteausbeute erreichen.
Die Fahrzeuge sind laut, spektakulär und verdammt schnell, die Fans aus dem Häuschen. Und das nicht nur bei den Topstars der höchsten Klasse. Besonders bei der WRC2 werden die Fans laut: Wenn ein Landsmann vorbeifährt, wird frenetisch gejubelt und die zahlreichen Flaggen geschwenkt. Auch wenn die Zuschauer ihre Favoriten haben, geht es mehr als fair zu. Allen Fahrern wird Respekt gezollt. Aber auch untereinander herrscht ein freundschaftliches Klima. In den Zuschauerzonen hört man die verschiedensten Sprachen: Finnisch, Polnisch, Französisch und natürlich Deutsch in allen Variationen. Das Publikum ist international, aber auch sehr kollegial: Es wird sich in oft auch nur gebrochenem Englisch unterhalten und ausgetauscht. So wird die Rallye auch neben den Drifts, Sprüngen und Highspeed-Passagen zu einem echten Happening der Rallye-Fans aus aller Herren Länder.
Mit der 18. Wertungsprüfung endete sonntags dann die spannende Rallye Deutschland. Aus deutscher Sicht kann die ADAC Rallye Deutschland als sehr erfolgreich bewertet werden. Lokalmatador Marijan Griebel trat das erste Mal in einem World Rallye Car an. Sein Ziel: „Ich will schneller sein, als alle WRC2-Autos!“ Mit einem hervorragenden achten Platz ist ihm das nicht nur gelungen, der Polizeioberkommissar konnte mit seiner blitzsauberen Vorstellung sogar zwei WRC1-Autos hinter sich lassen. In der WRC2 erreichten Fabian Kreim mit Platz 4 und Youngster Roman Schwedt auf Platz 12 hervorragende Resultate.
Nach der souveränen Vorstellung über die gesamte Rallye war es nicht verwunderlich, dass Ott Tänak die Rallye Deutschland gewonnen hat. Glück hatte Thierry Neuville, der sich durch Ausfälle am Ende unerwartet den zweiten Platz sicherte und wichtige Punkte für die WM einheimsen konnte. Dritter wurde Esapekka Lappi, Ogier durfte den vierten Platz für sich verbuchen. Insgesamt hat die Rallye Deutschland die Weltmeisterschaft wieder etwas spannender gemacht. Tänak hat mit seinem Sieg weiter Boden gut gemacht und rückt Sébastien Ogier immer näher. Thierry Neuville hat mit dem zweiten Platz seine WM-Führung stabilisiert. Dennoch kann in den letzten vier Rallyes der Saison noch einiges passieren. Es bleibt spannend, die Fans wird es freuen!
KÜS-Kompetenz bei der ADAC Rallye Deutschland
Ein Weltmeisterschaftslauf bedeutet einen unheimlichen personellen Aufwand. Unter anderem werden Spezialisten gebraucht, die als technische Kommissare die Rallye-Teams überwachen. Die KÜS hat ihre Prüfingenieure Stefan Ehl, Johannes Kautenburger sowie den dualen Studenten Florian Tennert zur Rallye entsandt. Vor dem Start der Rallye sind die drei bei der technischen Abnahme eingesetzt. Dabei wird jedes einzelne Fahrzeug gründlich untersucht, denn die Sicherheit von Fahrern und Publikum hat allererste Priorität. Gestartet werden darf nur, wenn Fahrzeug und Ausrüstung allen Vorgaben entsprechen!
Prüfingenieur Johannes Kautenburger ist im Wiegeteam unterwegs. Nach einzelnen Wertungsprüfungen werden die Fahrzeuge unangekündigt gewogen, denn aus Fairnessgründen müssen diese ein Mindestgewicht einhalten. Zudem dürfen die Fahrer auch nur eine begrenzte Anzahl an Reifen nutzen. Das wird vom Reifen-Team kontrolliert, zu dem Florian Tennert gehört.
Stefan Ehl gehört als technischer Kommissar mittlerweile zum „Inventar“ der Rallye Deutschland. In diesem Jahr überwachte er die Reparatur- und Wartungsarbeiten der World Rallye Cars des Citroën Werkteams. Hier gilt es genau zu überprüfen, ob die Regularien der FIA eingehalten werden und keine unerlaubten Modifikationen an den Fahrzeugen vorgenommen werden.