Mit der Vespa motorisierten Unternehmer Enrico Piaggio und sein Chefingenieur Corradino d’Ascanio gleich nach Kriegsende ganz Italien. Was der Vespa fehlte, war allerdings Platz für Gepäck und Fracht. Als dreirädriges Gegenstück zum flinken Roller und mit 125-Kubikzentimeter-Zweitakt-Benziner stemmte die Ape offiziell bis zu 200 Kilogramm, wahlweise als Kastenwagen oder Pick-up. Im harten Arbeitsalltag konnten es auch einmal 500-Liter-Weinfässer oder schwerste Baumaterialien sein. Die Biene erwarb sich schnell den Ruf einer unkaputtbaren Begleiterin. Genau so trat die Ape aus dem Schatten der Vespa und eroberte die ganze Welt – auch als »ein Stück Italien« wie Pizza, Pasta und Vino.
An diese Rolle eines nationalen Sympathieträgers und automobilen Botschafters italienischer Lebensart war bei der Entwicklung der Ape noch nicht zu denken. Für Piaggio ging es in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit schlicht ums Überleben. Das schon 1884 gegründete Unternehmen aus Pontedera in der Provinz Pisa hatte sich vom kleinen Handwerksbetrieb zum bedeutenden Flugzeugbauer und Rüstungsproduzenten entwickelt. Damit war es nach dem Zweiten Weltkrieg vorbei, denn das Werk lag in Trümmern und die Alliierten untersagten Piaggio einen Neustart im Waffengeschäft. Was tun? Enrico Piaggio, Sohn des Firmengründers Rinaldo, konzentrierte sich gemeinsam mit seinem bisherigen Flugzeugkonstrukteur d’Ascanio auf das Kleinstfahrzeuggeschäft. Genau diese Modelle fehlten der Ökonomie des Landes, um den innerstädtischen Transport, aber auch den Warenumschlag von Kleinunternehmen, Handwerkern und Bauern zu bewerkstelligen. Den Anfang machte 1946 die Vespa (italienisch: Wespe), das bis heute berühmteste Vehikel aus dem Haus Piaggio. Nur ein Jahr später präsentierte Piaggio einen serienreifen Prototypen der Ape, der sich als Vespa mit Ladefläche und entsprechendem Zweitakt-Triebwerk unter dem Fahrersitz vorstellte.
Die Republik Italien hatte sich gerade eine Verfassung gegeben, als die knatternde Arbeitsbiene 1948 in den Handel kam. Zu Preisen ab 170.000 Lire war die Piaggio Ape preiswerter als alle anderen vergleichbaren Nutzfahrzeuge, aber erst die Ratenfinanzierung machte sie wirklich erschwinglich für Gemüsehändler, Kleinbauern und alle, die von einem motorisierten Untersatz träumten. Schließlich betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen der Italiener damals nur 139.000 Lire. Wem der winzige Fiat Cinquecento unerreichbar kostspielig, zu klein für Heuballen oder zu groß für engste Gassen schien, kaufte fortan Ape, zumal Piaggio das Programm permanent erweiterte. Es war der Beginn einer unvergleichlichen Erfolgsstory, die bis heute andauert. Diese Biene hat es bisher allein in Europa auf über zwei Millionen Einheiten gebracht, was ihr den Titel »Meistverkauftes Dreiradfahrzeug aller Zeiten« sichert. Darüber hinaus brachte die Ape aber auch Indien auf belastbaren Mini-Rädern ins 21. Jahrhundert. Denn im dortigen Werk Baramati ersetzte der Piaggio 1999 alte deutsche Lizenz-Konstruktionen und avancierte zum erfolgreichsten Dreirad in ganz Asien. Mehr als 150.000 Kleinst-Transporter liefert Baramati jährlich aus, von denen besonders originelle Konstruktionen sogar nach Europa kommen.