Am Fuße des Ochsenkopfs wurden nun seine bisherigen Sammlungen mit der »Halle III« zu einer Museums-Trilogie im Städtchen Fichtelberg ergänzt. Platz genügend ist vorhanden, um jedes Exponat in seiner individuellen Wirkung und Wichtigkeit zur Entfaltung kommen zu lassen. Insgesamt stehen inzwischen über 500 Exponate mit zwei, drei- oder vier Rädern, mit und ohne Flügel, als Zeugnisse technischer Entwicklung ab 1896 bis in die späten 80er-Jahre in gepflegter Umgebung nebeneinander. Wo das durch große Fensterflächen einer ehemaligen Textilfabrik hereinströmende Tageslicht Lücken aufweist, ist für entsprechende künstliche Beleuchtung gesorgt: Nichts bleibt verborgen. Sohn Konstantin hat inzwischen den »Chefsessel« von Vater Perry übernommen.
Halle III also. Sie beginnt mit einem Schaulaufen einer riesigen Zweitakt-Motorradkollektion, die sich mit Patina, Charme und umfangreicher Entwick-lungshistorie darbietet. Dann der letzte Quertrakt in Halle III: Er ist den schönen Italienerinnen der 60er- und 70er-Jahre gewidmet. Jenen seltenen Exemplaren vor allem kleinerer Design-Schmieden, deren Namen schon zu ihren Zeiten bei Liebhabern die Zungen haben schnalzen lassen.
Diesen Klein-Herstellern, die immer mit großem Herzen aber schmalen Etats auskommen mussten. Die Kreativität aber litt keineswegs darunter. Im Gegenteil. »Iso Rivolta« ist eine von ihnen. Mächtige Sportwagen mit zwei oder vier Türen, in edler Ausstattung auf Luxus getrimmt oder als spartanische Variante für Autorennen.
»Iso Lele«, »Iso Fidia«, »Iso Varedo« oder »Iso Grifo« hießen sie. Chef Rivolta implantierte überwiegend US-amerikanische Big- oder Small Block-Triebwerke mit acht Zylindern aus dem GM-Regal von Chevrolet, die mit enorm viel Power wesentlich preiswerter waren als original italienische mit 10 oder 12 Zylindern. Später baute Rivolta dann auch Motoren von Ford ein, die den Chevys leistungsmäßig kaum nachstanden.
Power satt
bis Getriebe sprengend
Daneben ein knallrotes Varedo-Coupé aus der Werkstatt von Iso Rivolta: es hat weltweiten Alleinstellungsstatus, angetrieben von einem 5,3-Liter-GM-Chevy-Small- Block-Motor. Das Karosseriekleid elegant, gewagt und dennoch von sanft-sensibler Haptik und unendlich zart-markanter Linie.
»Sex sells« sagt nicht nur der Autoliebhaber. Man spürt hier, was es mit dem tieferen Sinn der Bemerkung auf sich hat. Ein Bizzarini, noch vom Firmengründer Giotto Bizzarini, den sich der Edelkarossen-Experte Andrea Morelli nach seinen Differenzen mit Chef Rivolta anschließend vornahm, steht in fast fertigem Zustand als aus dem Vollen handgefertigte Aluminium-Rohkarosserie inmitten der edlen Raritäten. 10.000 Kilometer zwischen Fichtelberg, Viareggio, Modena, Livorno und Crevalcore absolvierte Perry Eckert nur, um in mehrfachen Anläufen und Gesprächen diesen Rohling und einige Technikteile Morelli abzukaufen. Die Geschichte der kleinen aber feinen italienischen Supersportwagen-Schmieden lebt hier in Fichtelberg zu voller Blüte auf.
MUSEUM FICHTELBERG
Tel. 09272 – 9710
www.amf-museum.de
Fotos Frank Nüssel