Absoluter Hingucker
Der Unterwasser-Kreisverkehr allein ist ein absoluter Hingucker und wird sicher zum Sightseeing-Höhepunkt für alle Inselbesucher. Das ist zum Teil wohl auch nötig, denn die Baukosten sollen in erster Linie durch Mautgebühren refinanziert werden. Die Regierung der Färöer beteiligt sich mit 54 Mio. Euro, von denen ein Teil allerdings für den noch im Bau befindlichen 10,8 km langen Sandoyartunnilin bestimmt ist, der ab 2023 die Hauptstadt-Insel Streymoy mit einer südlicher gelegenen Insel verbinden soll. Entsprechend ist eine Tunnel-Passage nicht ganz billig.
Der gerade fertiggestellte Tunnel verbindet die Färöer-Hauptstadt Torshavn auf Streymoy – der größten der 18 Inseln – mit der Insel Eysturoy. Die hat im Süden zwei extrem langgezogene Landzungen, und so kam die Idee mit dem Kreisverkehr unter dem Atlantik. Dadurch kann Torshavn sowohl mit Strendur auf dem westlichen Teil Eysturoys als auch Runavik auf der östlichen Landzunge verbunden werden. Zudem gibt es jetzt eine direkte Verbindung zwischen den beiden letztgenannten Orten. Die Fahrzeiten verkürzen sich dadurch enorm. Von Torshavn sind es jetzt statt bislang 64 Minuten ganze 16. Zwischen Runavík und Strendur verkürzt sich die Strecke durch Tunnel und Kreisverkehr auf rund ein Zehntel gegenüber der Fahrt um den Fjord.
11,2 Kilometer ist der Eysturoy-Tunnel lang, präzise sind es unterirdische 7.460 Meter aus Richtung Süden bis zum Kreisel, und von da aus 2.153 Meter gen Osten und 1.625 Meter in Richtung Westen. An der tiefsten Stelle liegt er 187 Meter unter dem Meeresspiegel. Der Kreisverkehr selbst hat eine Tiefe von 72,6 Meter unter dem Atlantik, der an dieser Stelle rund 25 Meter tief ist. Somit befinden sich fast 50 Meter Gestein zwischen Meeresgrund und dem Rondell.
Allein für den Kreisel lohnt sich schon eine Fahrt durch den Tunnel, und mancher wird nicht die direkte Ausfahrt nehmen, sondern ein oder zwei komplette Runden drehen.
Verschiedenfarbige Lichter
geben dem Raum fast schon
etwas von einer Kathedrale.
Medienvertreter sollen ihn bei der Eröffnung mit einer »riesigen, leuchtenden Tiefseequalle« verglichen haben. In der Mitte überrascht zudem eine 80 Meter lange Stahlskulptur des färöischen Glaskünstlers und Bildhauers Tróndur Patursson. Der Stahlring stellt Menschen dar, die sich an den Händen fassen und den Felsenkern des Kreisverkehrs umschließen. Patursson versinnbildlicht damit den färöischen Kettentanz. Dabei verändert die Skulptur ständig ihre Farbe.
Gebaut wurde der Tunnel vom schwedischen Konzern NCC AB, einem der 15 größten Bauunternehmen Europas. Im Januar 2017 begann man von Norden aus mit dem Tunnelbau, ab April 2017 wurde auch von Süden aus gebohrt. Auch wenn sich die Arbeiter bis auf 187 Meter unter dem Meeresspiegel vorkämpfen mussten, so haben die Tunnel aus Sicherheitsgründen an keiner Stelle eine Steigung bzw. Gefälle von mehr als 5 Prozent. Allein im Kreisverkehr wurden 12.000 m3 Gestein entfernt. Insgesamt waren es 1.050.000 m3.
Zur Stabilisierung der Felsen mussten 7.500 Tonnen Beton injiziert werden.
Welche Bedeutung der Eysturoy-Tunnel für die Färöer hat, erkennt man schon daran, dass sowohl der Tunneldurchbruch am 7. Juni 2019 als auch die feierliche Verkehrsfreigabe am 19. Dezember 2020 durch den färöischen Minister für Finanzen und Verkehr Jørgen Niclassen live im örtlichen Fernsehen übertragen wurden. Mit dem neuen Bauprojekt hat das Archipel im Nordatlantik jetzt 17 Tunnel. Die gut ausgebaute Infrastruktur dient nicht nur der besseren Erreichbarkeit der Städte, sie verringert auch die Landflucht in dem ohnehin karg besiedelten Gebiet. Eine einfache Fahrt durch den langen Tunnel kostet mit dem Pkw umgerechnet rund 23,50 €, wer zwischen den beiden Landzungen pendelt, zahlt ca. 16,80 €. Für Busse mit mehr als 19 Sitzplätzen werden 181,50 € bzw. 114,25 € fällig. Im Abonnement wird’s spürbar günstiger.
Der Kreisverkehr auf den Färöer ist nicht der erste in einem Tunnel – Norwegen hat gleich mehrere davon – nur eben nicht unter Wasser. Der Vallaviktunnelen in Südwest-Norwegen hat zusammen mit dem Butunnelen auf relativ kurzer Strecke gleich zwei. Fährt man von Nordwesten in die Röhre, erreicht man nach 6,9 km den Kreisel und kann geradeaus nach 600 Metern oberirdisch weiterfahren. Biegt man dagegen rechts ab, kommt man auf eine großartige, 1.380 Meter lange Hängebrücke über den Hardangerfjord. Danach taucht man sofort erneut in den Tunnel ab, und auch der hat nach rund 1,3 km einen Kreisverkehr, ehe es nach weiteren 450 Metern in Richtung Westen bzw. 260 Metern in Richtung Norden wieder ans Tageslicht geht. Auch unter der norwegischen Stadt Tromsø gibt es zwei unterirdische Kreisverkehre (und sogar ein Parkhaus mit 900 Plätzen). Ein weiterer ist im Karmøytunnel südlich von Bergen. In Meran/Südtirol wurde ein Kreisverkehr direkt unter dem Bahnhof gebaut. Bislang nur in Planung ist die Weiterführung des Tunnels in Richtung Passeiertal.
Fotos Ólavur Frederiksen/Faroephoto.com