Aktuell ist die Ladesäulen-Landschaft in Europa noch stark durch einzelne oder einige wenige Steckdosen-Stelen geprägt, die entweder am Straßenrand, auf Schnellimbiss-Parkplätzen oder auf Autobahn-Rasthöfen stehen. Mit der steigenden Zahl an E-Autos dürfte sich aber auch das Erscheinungsbild der Infrastruktur ändern. Schon heute geht der Trend vor allem an den Schnellstraßen zu großen Ladeparks mit Dutzenden Anschlusspunkten. Viele haben ein Dach und eine Beleuchtung, die Wohlbefinden und Sicherheitsempfinden stärken sollen.
Auf den ersten Blick wirken die Ladeparks wie klassische Tankstellen. Kein Zufall, wie Linda Boll vom niederländischen Ladesäulenbetreiber Fastned erklärt: „Das Design unserer Stationen orientiert sich an dem von konventionellen Tankstellen. Dort ist es für den Autofahrenden wichtig, die nächste Tankmöglichkeit schnell und einfach aufzufinden und den Tankvorgang unkompliziert durchführen zu können. Die einzelne Ladesäule in einer versteckten und dunklen Ecke des Parkplatzes ist für uns nicht wirklich zukunftsträchtig.“
Dazu kommt noch ein weiterer wichtiger Aspekt: Wie man eine klassische Tankstelle nutzt, ist den meisten Autofahrern geläufig. Zudem sind dort Architektur und Wegführung auf den reibungslosen Betrieb und die schnelle Betankung großer Mengen Fahrzeuge ausgelegt. Auf kleinen Lade-Parkplätzen vor einem Schnellrestaurant hingegen muss je nach Fahrzeug und Ladeanschluss umständlich rangiert werden. Was spätestens dann zu einem echten Problem wird, wenn sich etwa ein Anhänger am Haken befindet.
In Deutschland gibt es seit 2020 den Schnellladepark Seed & Greet am Hildener Kreuz der Autobahn 3. Initiator ist der regional bekannte Bäcker Roland Schüren, der bei seiner Firmenflotte schon früh auf E-Autos gesetzt hatte und mit Ladesäulen seinen eigenen Verkaufsbetrieb schnell zu einem Anlaufpunkt für die zunächst kleine, aber schnell wachsende E-Fahrer-Szene gemacht hat. Am Rande der großen Nord-Süd-Autobahn führt er das Konzept nun auf die nächste Stufe: Perspektivisch soll die Anlage 40 Tesla-Supercharger, 22 Fastned-Säulen und 52 AC-Ladepunkte bieten. Für die kulinarische Versorgung sorgt ein von dem Bäcker betriebener Imbiss, der neben Getränken und Brötchen auch frisch gebackene Pizza offeriert. Später sollen auf dem Gelände auch noch ein Bürogebäude sowie ein vertikales Gewächshaus entstehen. Dort werden auf 1.000 Quadratmetern über vier Stockwerke Salat, Erdbeeren und Blaubeeren für den Bedarf der Bäckerei angebaut.
In den neuen »Charging Hubs« von Audi (der erste hat Ende 2021 in Nürnberg eröffnet) kommen gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien aus Versuchsfahrzeugen zum Einsatz, die Energie aus dem öffentlichen Netz und von Solarzellen auf dem Dach speichern, sozusagen verdichten und in großen Portionen schnell an die tankenden Fahrzeuge abgeben. Audi testet damit auch eine mögliche künftige Option für das Batterierecycling, eine teure Aufgabe, für die die Industrie nach Willen des Gesetzgebers in Zukunft aufkommen muss. Das sogenannte »Second Life« – das zweite Leben – als stationärer Speicher könnte da eine attraktive Option werden.
Die kubusförmigen Anlagen im Stil der Autohäuser der Marke sind bewusst exklusiv gestaltet und eingerichtet. „Das soll nicht nur eine Lösung für künftige Spitzenbedarfe bieten, sondern das Laden zu einer aktiv genutzten Lebenszeit machen”, so Projektleiter Ralph Hollmig. In die große Audi-Lounge mit Balkon, Sofas und Arbeitsecke kommt allerdings nur, wer auch mit einem Auto der Ingolstädter anreist. Wer die Schnelllader mit einem Fremdfabrikat nutzen will, dem steht nur ein kleiner Raum mit Snack- und Kaffeeautomaten, harter Sitzbank und Toilettenzugang zur Verfügung. Eine zweite Station in Zürich hat Audi bereits angekündigt.
Der Business-Lounge-statt-Tankstellen-Ansatz könnte Schule machen. Gerade Hersteller exklusiverer E-Autos wie Porsche und Tesla setzen bereits auf eigene Ladesäulennetze, die sich prinzipiell auch zu Marken-Leuchttürmen mit exklusivem Lounge-Zutritt ausbauen ließen.
Fotos Audi, Fastned, Ihr Bäcker Schüren, Tesvolt