Vor 110 Jahren war es der Futurismus, der den Anfang machte, die Geschwindigkeit von Automobilen und Licht als Kunst zu begreifen und auf die Leinwand zu bringen. Der Italiener Giacomo Balla war einer ihrer wichtigsten Vertreter dieser Kunstströmung. In den folgenden Jahrzehnten symbolisierte das Automobil technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt, sodass Bauhauskünstler wie Walter Gropius gerne Karosseriekonzepte für schnelle Achtzylinder wie den Adler Standard 8 entwarfen. Und Salvador Dalí integrierte Automobile von Beginn an in seine surrealistischen Kunstwerke.
Die Golden Fifties und Swinging Sixties spiegelten ebenfalls diese ambivalente Beziehung zwischen Kunst und Fahrzeug. Der französische Philosoph Roland Barthes verglich zukunftsweisende Automobile wie den vom Bildhauer Flaminio Bertoni gestalteten Citroën DS 19 mit der vollendeten Architektur großer gotischer Kathedralen. Sogar Pablo Picasso würdigte die DS Limousine: Der spanische Jahrhundertkünstler veredelte das Fahrzeug eines Journalisten, der Picasso eigentlich besucht hatte, um ein Interview zu führen, mit dem Bild von Familien, Blumen und Baum. Prompt erwarb ein Pariser Galerist den Citroën zum sechsfachen Neupreis – ein früher Rekorderlös für ein Art Car. Später benannte Citroën sogar Modellreihen nach Picasso. Das erste automobile Kunstwerk, das einen zweistelligen Millionenerlös erzielte, stammt von Roy Lichtenstein: Sein 1963 vollendetes Bild »In The Car« visualisierte das Thema Tempo durch horizontale Linien und wurde später von Christies für 16,2 Millionen Dollar versteigert.
Die Magie furioser Geschwindigkeit initiierte zudem einen beispiellosen Reigen an schnellen Kunstwerken auf Rädern. So begründeten Alex Calder (1975, BMW 3.0 CSL), Frank Stella (1976, BMW 3.0 CSL), Andy Warhol (1979, BMW M1), David Hockney (1995, BMW 850i) oder Jeff Koons (2010, BMW M3 GT2 und 2022, »The 8X«) die Serie der BMW Art Cars, die bis heute fortgesetzt wird und vor allem Rennwagen stilisiert, die tatsächlich Motorsportruhm ernteten. Seit 1991 flattert der »Goldene Vogel« von HA Schult, ein Ford Fiesta mit goldfarben lackierten Flügeln, auf dem Turm des Kölner Stadtmuseums – und avancierte zum drittbekanntesten Kölner Denkmal. Das Auto als Kunstobjekt und Zeitzeugnis.
Fotos BMW, Bugatti, Lamborghini, DS Automobiles, Ford, Ford Schweiz, Lamborghini, NIFTEE/Glorian Gears