Es diente und dient bis heute den Entwicklungsingenieuren der Automobil-Hersteller, ihren Stand der Technik zu analysieren und realisieren. In den Anfängen durften die Fahrer mit ihrem mitgeführten Bordwerkzeug noch selbst Hand an ihrem Fahrzeug anlegen. Auf der damals noch 17,3 km langen Strecke war es auf und an der Strecke erlaubt. Die Fahrer mussten selbst den Kraftstoff nachfüllen und Reifen wechseln. An den „Boxen“, die aus einem provisorischen Haltepunkt hinter einem langen Tisch bestanden, entstand somit jenes Schauspiel, welches heute durch Zeitmanagement, Strategie und Choreographie nicht mehr zu überbieten ist.
Ab dem Jahr 1932 verkürzte man die Streckenlänge auf 13,5 km. Die Regularien wurden immer mehr verschärft. Den Fahrern war es nur noch erlaubt, auf der sonst zum Teil als Landstraße genutzten Rennpiste ohne fremde Hilfe ihr Fahrzeug instand zu setzen. In den Boxen durften nur die werkseigenen Mechaniker die ankommenden Rennwagen betreuen und reparieren. Heute dürfen sich nur vorher festgelegte und namentlich registrierte Crew-Mitglieder in der Box aufhalten. Nur den durch elektronische „Fußfesseln“ zu identifizierenden Mechanikern ist es erlaubt, im Bereich der eigenen Box an den Langstrecken-Rennfahrzeugen ihre genau definierten Arbeiten zu erledigen. Überfährt der Fahrer eines Rennfahrzeuges aus Versehen den vorgegebenen Bereich der Box nur um einen Meter, wird der Rennwagen und somit das Team sofort disqualifiziert. So eng sind die Bestimmungen festgelegt. Ohne Wenn und Aber müssen die teilnehmenden Hersteller-Teams diese „Gesetze von Le Mans“ akzeptieren, wenn sie an diesem berühmten Rennen teilnehmen möchten.
Und teilnehmen möchten immer wieder viele technikversessene Automobilisten. Gewinner ist immer derjenige, der in einem Zeitfenster von 24 Stunden die meisten Runden durchfährt und die Ziellinie passiert. Ziel der Hersteller ist es daher natürlich, so wenige Stopps wie möglich an den Boxen zu absolvieren. Diese Herausforderung brachte so manche alternative Antriebsart auf den Kurs an der Sarthe. Turbinenantrieb von Rover in den Jahren 1963 und 1965. Einen Wankelmotor verbaute Mazda und errang erstmalig und einmalig den Gesamtsieg mit dem Typ 787B. Die erfolgreichen Einsätze der dieselbetriebenen Aggregate von Audi ab 2006 oder 2009 von Peugeot.
Nachdem das Reglement in Bezug auf den Hybridantrieb geändert wurde, meldeten sich zeitgleich zwei Hersteller mit ihrer Idee des hybriden Antriebes für Le Mans. Audi sowie auch Toyota absolvierten viele Tests, bevor sie beim Langstreckenrennen in Frankreich antraten. Eine weitere Besonderheit des Regelwerkes ermöglicht es der Industrie während des Rennens mit ihren Prototypen unter reellen Bedingungen teilzunehmen. Mit der Ausnahme, sie fahren außerhalb der Konkurrenz. So geschehen in diesem Jahr mit dem Delta-Wing Racer von Nissan. Hiermit versuchte man ein völlig anderes Rennwagen-Konzept zu etablieren. Leider schied dieser Prototyp frühzeitig aus.
Tragische Momente gab es in dem zurückliegenden Zeitraum von 89 Jahren immer wieder. Der wohl spektakulärste Unfall mit 84 zu beklagenden Todesopfern, inklusive des Rennfahrers Levegh, ist bis heute die traurigste Bilanz dieses Langstreckenrennens. Bevor sich die Fahrzeuge auf der Strecke im gegenseitigen Kampf messen können, bedarf es einer besonderen Prozedur. Der berühmt gewordene Le-Mans-Start wurde 1925 eingeführt. Hierbei mussten die Fahrer zu ihren an der Boxengasse aufgereihten Rennfahrzeugen von der gegenüberliegenden Seite aus über die Piste sprinten und ihre Boliden stehend starten. 1969 wurden Sicherheitsgurte vorgeschrieben und eingeführt. Das wiederum sorgte für Diskussionen und erhitze die Gemüter. Man kam 1970 aus Sicherheitsgründen zu dem Entschluss nach dem Le Mans Start, der nur demonstrativ dargestellt und durchgeführt wurde, dem Starterfeld durch Ampel-Signalisation, den Indianapolis-Start, frei zu geben. Dieses geschieht somit geordnet nach einer Einführungsrunde. Nach dem Vorbild von Indianapolis mit fliegendem Start. Jeder Starter ist sich dessen bewusst, dass er nur im Team einen Sieg erringen kann und dies erst nach 24 Stunden.
Heute ist auch die Boxenstopp-Strategie eine nicht zu vernachlässigende Komponente. In den Jahrzehnten hat sich genau das immer wieder bewahrheitet. Nach der gesamten Renndistanz von mehreren tausend Kilometern, aktuell mehr als 5.300 km und einer Zeitspanne von 24 Stunden, fahren zwei Teams nur wenige Sekundenbruchteile voneinander getrennt über die Ziellinie. Solch ein spektakuläres Finish erlebten die rennbegeisterten Zuschauer im Jahr 1933. Nach einem an Spannung nicht zu überbietenden Rennen schafften es Tazio Nuvolari/Raymond Sommer mit ihrem aufgeladenen 2,3 Liter Alfa Romeo, Startnummer 11, vor dem zweiten Alfa Romeo gleicher Bauart, 8 C 2300 MM, von Luigi Chinetti/Philippe de Gunsburg, Nr. 8, die Ziellinie als Erste zu überfahren.
1969 trennten den Gesamtsieger Jackie Ickx/Jackie Oliver auf Ford GT40 Mk. 1, mit der Startnummer 6, ganze 75 Meter vom zweitplatzierten Hans Herrmann/Gérard Larrousse auf ihrem Porsche 908 Langheck und der Startnummer 64. Mit diesen wohlklingenden Namen automobiler Provenienz ist nur ein kleiner bedeutender Teil aller Marken bisher genannt. Weitere sind die ersten Sieger: Chenard & Walcker. Danach folgten Bentley, La Lorraine Dietrich, Lagonda, Bugatti, Delahaye, Ferrari, Jaguar, Mercedes-Benz, Talbot Lago, Aston Martin, Porsche (bisher 16 Gesamt-Siege), Matra-Simca und Renault Alpine. Alles vielversprechende Namen, die aus dem Motorsport nicht wegzudenken sind. So auch der Name: Steve McQueen. Er erstellte 1970 seinen berühmt gewordenen Hollywood-Klassiker „Le Mans“. Bei Stuntaufnahmen während der Dreharbeiten büßte David Piper durch einen Unfall einen Unterschenkel ein. Er fährt heute 80-jährig immer noch historischen Motorsport. Am liebsten mit seinem grünen Porsche 917. Der Film „Le Mans“ kam 1971 in die Kinos.
Namen sind auch an der Strecke ganz wichtig. Die markanten Stellen entlang der Rennpiste haben in all den Jahrzehnten dazu beigetragen, das Image von Le Mans zu einem weltweiten Spektakulum entstehen zu lassen. Bei Start und Ziel beginnend fängt die Rennrunde mit der weitläufigen Dunlop-Kurve durch den von vielen Fotos bekannten Dunlop-Bogen zügig an. Im Anschluss daran heißt der nächste Punkt „Esse de la Forêt“ – was so viel heißt wie „Wald-Kurve“. Nur leider sucht man an dieser Stelle vergebens den Wald. Danach biegt man recht schnell auf die Landstraße bei „Tertre Rouge“ nach rechts ab auf die Ligne Droite des Hunaudières – Hunaudières-Gerade.
Diese schnellste Passage aller Rennstrecken wurde 1990 mit zwei Schikanen unterteilt. Dadurch wurden die erzielten Höchstgeschwindigkeiten von ehemals über 400 km/h auf heute nur noch ca. 330 km/h eingebremst. Nach diesem Hochgeschwindigkeits-Abschnitt bremst man rigoros nach rechts in die Mulsanne-Kurve. Danach sofort wieder in die „Indianapolis-Kurve“ links und in die direkt daran angebundene „Arnage-Esses“ rechts. Der Geschwindigkeits-Unterschied in diesem Bereich beläuft sich auf ca. 250 km/h gegenüber der vorher gefahrenen Vmax auf der Geraden. Beide Kurven-Kombinationen haben sich ihren Stellenwert hart erarbeitet.
Einer weiteren Geraden folgend, erreicht man die Porsche-Kurve (1972 gebaut) und kurz vor dem Ziel die Ford-Schikane (nach 1955). In dieser Reihenfolge, bei der man während der Fahrt am besten keine Veränderung vornehmen sollte, hat das Gesamtsieger-Fahrzeug und dessen Team, Audi Sport Team Joest mit den Fahrern Fässler/Lotterer/Tréluyer insgesamt 378 Runden absolviert. Sie fuhren mit einem Audi e-tron quattro den Sieg heraus. Modernste Hybrid Technik zeichnet somit für den Sieg verantwortlich. Dank der guten Organisation des Automobile Club de l’Ouest (ACO) und der Weitsicht, was die Regularien betrifft. Wir blicken auf ein bevorstehendes Jubiläum nächstes Jahr. 90 Jahre Le Mans. Herzlich willkommen an der Sarthe.