Wenn, nach dem im Jahr 2007 beschlossenen alljährlichen Wechsel des deutschen Formel-1-Laufes zwischen Hockenheimring und Nürburgring, der «Zirkus Ecclestone» im Jahr 2009 wieder seine Zelte in der Formel 1 aufschlagen wird,
dann wird dort vieles nicht mehr so sein, wie es bei der Zieldurchfahrt im Jahr 2007 war.
Schon einen Tag nach dem Sieg des Spaniers Fernando Alonso im McLaren-Mercedes rückten die Bagger an, um ihr umfangreiches Werk zu beginnen. Neben einer neuen Haupttribüne mit einer weiteren Business-Lounge entstehen vor allem ein neues Hotel sowie ein überdachter Boulevard inklusive einer 2.500 Quadratmeter großen Indoor-Arena mit schätzungsweise 4.000 Sitzplätzen. Damit soll der Nürburgring mit seiner schon seit Jahren bestehenden Erlebniswelt nicht nur zu einem ganzjährigen Freizeit- und Businesszentrum, sondern langfristig auch unabhängig von der Formel 1 werden.
Denn der Auftritt der großen Formel-1-Stars in der Eifel ist ein zweischneidiges Schwert. Seit Jahren schreibt die Nürburgring GmbH schwarze Zahlen bei anderen Motorsport-Veranstaltungen wie etwa beim Truck-Grand-Prix, beim Auftritt der DTM oder auch bei Deutschlands größtem Open-Air-Spektakel «Rock am Ring». Doch die Formel 1 ist seit Jahren ein Zuschussgeschäft, aber eben sehr medienwirksam. So hatte im vergangenen Jahr trotz des Rücktritts von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher der Nürburgring seine Zuschauerzahlen beim Formel-1-Grand-Prix noch einmal gesteigert, sodass er mit einem ermutigenden Zahlenbild in die selbst verordnete Pause in diesem Jahr gehen konnte.
Die gemeinsame Entscheidung, mit dem Hockenheimring im Wechsel nur noch ein Formel-1-Rennen pro Jahr in Deutschland auszutragen, hat sich offenbar frühzeitig ausgezahlt und den nach Schumachers Abschied befürchteten Besucherrückgang mehr als aufgefangen. Nicht zuletzt auch, weil der Superstar seinen Fans in der Eifel am Rennsonntag des vergangenen Jahres noch einmal seine Aufwartung machte. «Ein kleiner Hintergedanke war vielleicht dabei», gab Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz zu, nachdem er dem Kerpener als erstem Rennfahrer überhaupt eine Kurve auf dem Ring gewidmet und ihn zur offiziellen Einweihung des «Michael-Schumacher-S» noch einmal in einer Ehrenrunde den Fans präsentiert hatte: «Aber in erster Linie soll es eine Auszeichnung für den größten Rennfahrer aller Zeiten sein.»
Die Zahlen, die bei dieser Mischung aus Schumacher-Revival und zukunftsorientiertem Handeln registriert wurden, sollen auch im nächsten Jahr, wenn die Umbaumaßnahmen in der Eifel (geschätzte Kosten etwa 220 Millionen Euro) abgeschlossen sind, wieder erreicht werden. Waren 2007 einige der 135.000 Zuschauer am Sonntag sicher noch ein letztes Mal wegen Schumacher in die Eifel gekommen, soll 2009 der Neugier-Effekt für Formel1-Festspiele in der Eifel sorgen. So zählten die Verantwortlichen im vergangenen Jahr von Freitag bis Sonntag insgesamt 283.000 Besucher, das waren 7.000 mehr als im Jahr 2006. Für eine positive Zukunft der Traditionsstrecke ohne den siebenmaligen Weltmeister als Zugpferd ist der Ausbau zur «Erlebnisregion Nürburgring» nach Ansicht des Nürburgring-Geschäftsführers ähnlich bedeutsam wie der Neubau der Grand-Prix-Strecke in den 80er-Jahren, der nach dem Lauda-Unfall am
1. August 1976 erst die Rückkehr der Formel 1 in die Eifel ermöglicht hatte.
Auch wegen der Verluste in Millionenhöhe bei den jährlichen Formel-1-Gastspielen war Kafitz ein Befürworter der jährlichen Rotation mit der Strecke in Baden-Württemberg gewesen. Erstmals seit 1994 wurde aus diesem Grund auch kein Grand Prix in der Eifel ausgetragen. Eine neue Situation, die er präzise auf den Punkt brachte: «Den Kaufmann freut es, der Sportler hat eine Träne im Auge. Aber jeder Kompromiss hat eben seinen Preis.»
Im kommenden Jahr ist der neue Nürburgring dann noch einmal an der Reihe. Über eine Vertragsverlängerung ab 2011 will Kafitz allerdings erst im Jahr davor verhandeln. Dabei stellte er jetzt deutlich klar, dass es für einen neuen Vertrag auch eine Schmerzgrenze gibt. «Wenn die Kosten für die Region den Ertrag übersteigen, dann ist Schluss.» Der strukturschwachen Eifel brachten die Formel-1-Gastspiele auf dem Nürburgring, der zu 90 Prozent dem Land Rheinland-Pfalz und zu 10 Prozent dem Landkreis Ahrweiler gehört, jährlich rund 60 Millionen Euro Umsatz sowie 10 Millionen Euro an Nettowertschöpfung.
Etwa 3.000 Unternehmen mit 15.000 Beschäftigten profitieren vom «Ring». So weit hatten die Politiker und Planer vor 76 Jahren sicher nicht gedacht, als sie mit mehr als 2.500 Arbeitern eine einzigartige Renn- und Teststrecke in die hügelige Eifellandschaft bauten. 28,2 Kilometer Länge, davon 22,8 auf der legendären Nordschleife, Steigungen von bis zu 17 Prozent und vor allem mehr als 170 Kurven. Der damals 26 Jahre alte Rudolf Caracciola gewann am 19. Juni 1927 in einem Mercedes Typ S das Eröffnungsrennen. 75 Jahre später – 2002 – drehte der damalige McLaren-Mercedes-Pilot David Coulthard (Schottland) mit dem Original-Auto von 1927 eine Ehrenrunde in der Mercedes-Arena.
Was in späteren Jahrzehnten folgte, waren Meilensteine in der Geschichte des Nürburgrings, aber auch des gesamten Motorsports. 1934 wurde in der Eifel der Mythos der «Silberpfeile» geboren, als Mercedes-Sportchef Alfred Neubauer in einer Nacht- und-Nebel-Aktion die weiße Farbe auf den schwäbischen Boliden abschleifen ließ, um so das geforderte Gewichtslimit zu erreichen. Im Jahr 1954 lockten die Mercedes-Silberpfeile mehr als 300.000 Zuschauer zum deutschen Formel-1-Grand-Prix. Doch die Zukunft ließ sich nicht mehr aufhalten.
Als gegen Ende der 60er Jahre die Fahrzeuge immer schneller wurden, kam Kritik an der Sicherheit der Nordschleife auf.
Pikanterweise inszeniert von Jackie Stewart, der den Begriff der «Grünen Hölle» prägte, boykottierte die Formel 1 im Jahr 1970 den Eifelkurs, kehrte aber nach einem Umbau der Nordschleife 1971 zurück. Niki Laudas schwerer Unfall am 1. August 1976 bedeutete endgültig das Formel-1-Aus für die Nordschleife.
Nach dem Bau der neuen GP-Strecke kehrte die Königsklasse 1984 und 1985 kurzfristig in die Eifel zurück. Erst 1995, als Michael Schumacher zum ersten Mal dort gewann, wurde der Nürburgring wieder zu ihrem festen Bestandteil. Mit Investitionen von 100 Millionen Euro in Tribünen, neues Boxengebäude, neues Start-Zielhaus und Mercedes-Arena stellte sich die Rennstrecke in den vergangenen Jahren immer wieder neu auf. Mit dem jetzigen Ausbau soll der nächste Schritt auf dem Weg «zurück in die Zukunft» getan werden.