ZF wählte mit Bedacht einen Lang-Lkw für seinen Rangierassistenten, denn er übertrifft die übliche Längenbegrenzung von 18,75 um 6,5 Meter und darf in dem jetzt laufenden bundesweiten Feldversuch im kombinierten Verkehr 44 statt 40 Tonnen schwer sein. Die Vorteile sind offensichtlich. Zwei Lkw können drei herkömmliche Lastzüge ersetzen, was Treibstoff und CO2-Emissionen spart. Das Gewicht wird über mehr Achsen verteilt und so die Beanspruchung der Straßen vermindert. Vermutlich werden Lang-Lkw bald zwischen großen Logistikzentren eingesetzt.
Der Innovationstruck wurde zum ersten Mal auf der IAA 2014 in Hannover präsentiert. Nun folgte der Praxistest bei der Spedition Ansorge im Allgäu. Morgens um neun rollte der Lkw in Biessenhofen durch das Tor. Der Fahrer übergab das Tablet. Er hatte jetzt Pause.
Der Lagerarbeiter übernahm und steuerte den Lkw im Schritttempo durch Fingertipp an die Rampe.
Der Innovationstruck setzte sich ohne Fahrer nahezu geräuschlos in Bewegung. Auch das Zurückstoßen des Lang-Lkw ging kinderleicht, was auf Grund der zwei Knickwinkel nicht selbstverständlich ist:
Der Lagerarbeiter zog einfach das Fahrzeugsymbol auf der App in die gewünschte Richtung. Die Friedrichshafener haben durch das ausgeklügelte Zusammenspiel des Getriebesystems TraXon Hybrid, bei dem in der Kupplungsglocke ein Elektromotor integriert ist, der 120 kW Leistung und 1.000 Nm Drehmoment liefert, einer intelligenten Lenkung sowie der Telematik von Openmatics diese neuen Funktionen geschaffen. Für die Lenkmanöver ist eine modifizierte Hydraulik-Pumpeneinheit verantwortlich. Die benötigte Hochvoltbatterie reicht für mehrere Rangiermanöver aus.
Eine besondere Funktion übernehmen BLE-Tags (Bluetooth Low Energy-Funkchips) mit geringem Energiebedarf: Einmal befinden sie sich im Innovationstruck an der Rückseite der Fahrerkabine sowie an jeder Ecke von Auflieger und Anhänger. Sobald sich der Abstand zu den BLE-Tags oder zum Tablet verändert, variiert auch die Feldstärke entsprechend. Diese Informationen werden von der Onboard-Unit und dem Bediener-Tablet aufbereitet. Die BLE-Tags befinden sich aber auch an der Ladung und registrieren dort Beschleunigung, Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Diese Information erscheint jederzeit, etwa auf dem Tablet. Sie dient zum Beispiel der Dokumentation von Stürzen während des Transportes.
Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten klappte im Praxistest einwandfrei. Wolfgang Thoma, Geschäftsführer der Ansorge Logistik war begeistert: „Der Innovationstruck von ZF ist ein fantastischer Ansatz, der in der Logistikbranche völlig neue Denkansätze anstößt. Man müsste das Konzept unter den Bedingungen einer Spedition allerdings noch weiter entwickeln in Richtung einer Vollautomatik – nicht nur am Hof, sondern auch im rein elektrischen Shuttleverkehr über kurze Distanzen“. Das setzt allerdings auf dem Speditionsgelände eine andere Infrastruktur voraus. Damit wäre dann aber tatsächlich autonomes Fahren möglich.