Verkehrsunfälle, insbesondere wenn Personen verletzt wurden, werden oftmals Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Dann werden solche Unfälle im Auftrag von Gerichten, Versicherten oder Betroffenen rekonstruiert. Mittels Unfallanalyse werden technische Faktoren eines Unfalls eingegrenzt, sodass möglichst konkrete Aussagen über den Hergang des Ereignisses gemacht werden können. So können beispielsweise Fahrzeuggeschwindigkeiten und die -bewegungen abgeschätzt werden. Als Grundlage solcher Rekonstruktionen dienen Spuren vom Unfallort, Fahrzeugbeschädigungen oder in jüngster Zeit auch vermehrt die Messdaten von Unfalldatenschreibern. Bezüglich der in den Unfall verwickelten Personen können diese technischen Rekonstruktionen jedoch nur wenig aussagen. Aussagen zu den Verletzungen fallen nicht mehr ins Fachgebiet des technischen Sachverständigen.
Zur Beurteilung von erlittenen Verletzungen und Beschwerden sind medizinische Kenntnisse notwendig. Wenngleich in vielen Fällen eindeutig ist, dass Verletzungen durch den entsprechenden Unfall zustande kamen, gibt es auch Fälle, in denen der Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung oder Beschwerde nicht offensichtlich ist. Dies kann daran liegen, dass manche Beschwerden erst nach einem längeren Zeitraum beklagt werden, oder dass Zweifel bestehen, ob die Verletzungen nicht durch ein anderes Ereignis verursacht wurden. Solche Fälle sind daher häufiger Gegenstand von Untersuchungen. Andere Fragestellungen können auch das Tragen des Sicherheitsgurtes (Wären etwaige Verletzungen auch entstanden, wenn der Gurt getragen worden wäre?) oder die Zuordnung von Verletzungen bei komplexen Unfällen mit mehreren Phasen betreffen.
An dieser Schnittstelle zwischen Technik und Medizin setzt die Trauma-Biomechanik an. Sie untersucht den Einfluss von mechanischen Belastungen auf den Körper. Dies erfordert die Kenntnis der technischen und medizinischen Aspekte eines Unfallereignisses; die Biomechanik verfolgt also einen interdisziplinären Ansatz. In der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik (AGU) in Zürich arbeiten daher (Rechts-)Mediziner gemeinsam mit Ingenieuren und Bewegungswissenschaftlern. Zusammen analysieren sie, wie sich die Belastungen während eines Unfalls auf die Personen auswirken. Im Rahmen von Forschungsarbeiten werden allgemeine Grundlagen erarbeitet. Dazu gehören Crashtests mit Dummys genauso wie Computersimulationen oder auch Versuche mit Freiwilligen. Solche Forschungsarbeiten schaffen die Grundlage zur Beurteilung von konkreten Einzelfällen. „Die Anwendung der Forschungsergebnisse auf den individuellen Einzelfall erfordert jedoch viel Erfahrung und Hintergrundwissen – daher arbeiten wir immer im Team mit verschiedenen Spezialisten“, sagt Dr. Furter, Rechtsmedizinerin der AGU Zürich.
Auch Gutachten zu konkreten Fälle werden im Team erarbeitet – auch gemeinsam mit Sachverständigen der KÜS. Da es nicht viele auf Biomechanik spezialisierte Gutachter gibt, ist die AGU auch in Deutschland tätig. Hierzu hat sie verschiedene Zusammenarbeiten mit lokalen Fahrzeugsachverständigen etabliert. Der Sachverständige kümmert sich um die technischen Aspekte, wie die Unfallrekonstruktion, und die AGU ergänzt die medizinischen und biomechanischen Komponenten.
Interessierte KÜS-Sachverständige wenden sich bitte an:
sekretariat@agu.ch
Privatdozent Dr. sc. techn. Kai-Uwe Schmitt gehört der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik (AGU) in Zürich an.
Er ist dort verantwortlich für Forschung und Entwicklung, zudem ist er als Gutachter für biomechanische Fragestellungen tätig.
www.agu.ch