Das blutrünstigste Auto der Kinogeschichte


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Es scheint so, als gingen die Leute in Deckung, wenn Bill Gibson mit »Christine« bedächtig durch die Wohngebiete von Pensacola in Florida streift. Die Bürgersteige sind wie leer gefegt. Ob Christine das so witzig findet, wenn wir mitfahren, erkundigen wir uns skeptisch. „Keine Sorge“, erklärt Bill gelassen, „ich bin ja dabei, passiert schon nichts.“

Bill trägt einen ungewöhnlichen Ring am Finger mit dem Antlitz des 58er-Fury, der gerade durch die Straßen schleicht, als sei er auf Opfersuche. Was der zu bedeuten habe, wollen wir wissen. „Wir haben vor 13 Jahren geheiratet“, sagt Bill mit reichlich Stolz, „in Bangor, Maine, direkt vor dem Haus von Stephen King“. Jetzt bloß nicht falsch reagieren. Christine könnte verärgert sein. Was das bedeutet, kennen wir aus dem Kino und hat für schlaflose Nächte gesorgt.


Ein Klassiker des Horror-Movies bis heute

»Christine« ist jener rot-weiß lackierte 58er-  Plymouth Fury, der 1983 Angst und Schrecken in den Kinohäuser verbreitet. Christine hat imposante Kurven, aber auch einen besonders düsteren Charakter. Sie mordet heimtückisch und ist scheinbar unsterblich. Sie tötet alles, was ihr oder ihrem euphorischen Besitzer, dem Highschool-Schüler Arnie, Böses will. Nicht einmal die Schrottpresse kann sie stoppen. Ein klassisches Eifersuchtsdrama aus der Feder des populärsten Horror-Autors der Gegenwart, Stephen King, der Anfang der Achtziger mit »Christine« das noch unentdeckte Genre des Auto-Horrors kreiert. Der Plot ruft auch Regielegende John Carpenter auf den Plan, der »Christine« noch im Jahr der Romanveröffentlichung in die Kinos bringt. Ein Klassiker des Horror-Movies bis heute.

Bills Fury besteht aus lauter Teilen jener rund 15 Plymouth, die bei den Dreharbeiten zerstört, auf einem Schrottplatz entsorgt, vom Vorbesitzer erworben und zu einem kompletten Film-Fahrzeug à la Frankenstein zusammengebaut worden waren. 

Als Bill das Auto über Umwege 2005 in die Hände fällt, lässt er es neu lackieren und recherchiert hartnäckig, in welchen Szenen Teile seiner Lady im Kinofilm auftauchen. Es stellt sich heraus, dass Karosserieteile überwiegend von jenem Fahrzeug stammen, das in »Christine« einen Chevy Camaro mit Anlauf krachend in einen Tankstellenshop befördert und daraufhin in Flammen aufgeht. Am Steuer saß damals Terry Leonard, einer der besten Stunt-Fahrer Hollywoods, ausgestattet mit Atemmaske und feuerfester Kleidung. Andere Karosserieteile stammen von jenem Autowrack, das der junge Arnie im Film zufällig auf einem verwilderten Grundstück entdeckt und dem verwegen wirkenden Besitzer abschwatzt, allen Widerständen zum Trotz.

Typisch für »Christine« sind auch die spektakulären Spezial-Effekte. Allen voran die so genannte »Show Me«-Szene. Als der Fury von Bösewichtern kurz und klein geschlagen wird, präsentiert das schrottreife Auto dem entsetzten Besitzer Arnie sein wahres Gesicht. Christine repariert sich wie von Geisterhand gesteuert quasi von selbst. Die Effekt-Crew hatte für den Zweck einen Fury komplett zerlegen lassen und Blechteile, unsichtbar für Kameras, mit einer Latexfolie ausgestattet, durch die feine Drähte liefen. Wurde an den Drähten gezogen, verformten sich die Teile. Scheinwerfergläser zerplatzten durch winzige Sprengladungen. Carpenter produzierte die Aufnahmen in Zeitlupe auf 35 Millimeter Film und ließ ihn dann rückwärts ablaufen. So entstand jener sehenswerte Effekt, der Kinobesuchern Anfang der Achtziger regelrecht den Atem raubte. Das Auto wurde übrigens am 31. Oktober 1957 produziert: „Die Lady ist ein echtes Halloween-Baby“, sagt Bill Gibson gerührt.

Fotos Thorsten Link 

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