Das steht in einer Reihe mit der Formel 1 in Monaco. «Es war das Rennen, das ich ganz von Beginn an meiner Karriere, als blutjunger Nachwuchs-Fahrer einmal gewinnen wollte. Und jetzt, mit 29 Jahren habe ich es geschafft.» Das 24-Stunden-Rennen an der Sarthe. «Les 24 heures du Mans», das ist für die Franzosen so etwas wie eine Tour de France mit Motoren und für den Rest der großen, weiten Welt das härteste Rennen, die größte Bewährungsprobe für Mensch und Material überhaupt. Wir sitzen in der Lounge des Teams von Olaf Mantheywährend des Sechs-Stunden-Rennensam Nürburgring.Timo Bernhard, ein schlanker, austrainierter junger Mann, geboren im saarländischen Homburg, heute ein paar Kilometer davon entfernt im rheinland-pfälzischen Dittweiler wohnend, bereitet sich auf seinen Schlusseinsatz vor. Wasser, leichte Kost, Obst, den Akku noch einmal aufladen. Es war am 13. Juni dieses Jahres, als der junge Mann, der noch als Werksfahrer bei Porsche auf der Zuffenhausener Lohnliste steht, in einem Audi seinen bisher größten sportlichen Erfolg feierte. Da Porsche derzeit selbst kein eigenes Sportprototypen-Programm aufweist, hatte Sportchef Hartmut Kristen den Saarländer und seinen französischen Partner Romain Dumas für dieses Wochenende an die Ingolstädter Fraktion ausgeliehen. Gemeinsam mit dem jungen Deutschen Mike Rockenfeller, der seine Grundausbildung ebenfalls in der Zuffenhausener Sportwagenschmiede genossen hatte, trat das Duo in einem Audi R15 Plus auf dem Hochgeschwindigkeitskurs mit Passagen jenseits der 300 km/h-Grenze an.
«Ich hatte von Anfang an eine innere Ruhe und ein gutes Gefühl», blickt er heute auf den bisher größten Tag seiner Karriere zurück. Es war seine fünfte Teilnahme am berühmtesten 24-Stunden-Rennen der Welt und gleichzeitig sein erster Gesamtsieg. Womit er Historisches geleistet hat. Denn als erster Rennfahrer überhaupt ist dem «Motor-Marathoni» von der saarländisch-pfälzischen Grenze gelungen, die vier großen Langstrecken-Klassiker zu gewinnen. Das ist so eine Art Grand Slam des Motorsports. 2003 gewann er für Porsche die 24 Stunden von Daytona, 2008 die 12 Stunden von Sebring und in den Jahren 2006 bis 2009 viermal in Folge das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring.
«Langstrecken-Spezialisten sind in meinen Augen die komplettesten Rennfahrer überhaupt», sagt Timo Bernhard auf unsere Frage, was man denn mitbringen müsse, um solche Erfolge feiern zu können. «Es genügt heute nicht mehr, ein Auto zweimal rund um die Uhr über die Strecke heim zu tragen. Ankommen reicht nicht mehr. Die heutigen 24-Stunden-Rennen, das sind Sprintrennen, da gibt es keine Pause. Da fährt man permanent am Limit, wenn man draußen auf der Strecke ist.»
In so einem langen Rennen gebe es so viele verschiedene Phasen, dass man «auf Knopfdruck umschalten» müsse. «Du steckst mitten im Verkehr mit den kleineren, langsameren Autos. Du musst quasi für deren Fahrer mitdenken, musst vorausschauend fahren und dennoch einfach nur brutal schnell.» Diese Vielseitigkeit, die von einem guten Marathon-Mann hinter dem Volant gefordert wird, werde seiner Meinung nach in der Öffentlichkeit nur ungenügend gewürdigt.
Die Basis für seine heutigen Erfolge hat Timo, der mit Katharina verheiratet ist, früh bekommen. Quasi in Form der Gene seines Vaters. Denn mit Vater Rüdiger, der in den 70er- und 80er-Jahren Rallys und Bergrennenfuhr, war er früh mit dabei. «Ich war fasziniert, wenn ich als kleiner Steppke an der Strecke stand. Ich konnte ja in den ersten Jahren kaum über die Barrieren schauen. Aber wenn mir der Papa gesagt hat, da solle ich jetzt stehen bleiben, dann habe ich keinen Zentimeter gemuckst und von da aus das Rennen angesehen.» Wenn die anderen Jungs auf der Wiese kickten, war Timo in Gedanken im Auto. Wenn mich jemand als kleiner Bub gefragt hat, was ich später mal werden wollte, dann habe ich immer gesagt: «Ich will Rennfahrer werden.»
Und er ist einer geworden. Ein richtig guter sogar. Vielleicht der derzeit beste seiner Zunft. Über die Formel Renault, die Formel 3 fuhr er sich nach oben. Zu einem Zeitpunkt, als er noch keinen Führerschein für die Straße besaß. Dann erhielt er im Frühjahr 1999 eine Einladung von Porsche für eine Junioren-Sichtung. «Wir waren zehn Kandidaten, vier wurden genommen und durften dann auf die Rennstrecke nach Misano».Timo, damals noch 17, war darunter.
Bis ins Jahr 2001 fuhr er im UPS-Porsche Junior-Team, genoss in Serien wie etwa dem Carrera-Cup ein ausgezeichnetes Förderprogramm in der schwäbischen Sportwagenschmiede.
Klar wäre er auch gerne einmal Formel 1 gefahren, aber «da hast Du ohne Mitgift gar keine Chance, auch nur rein zu riechen.»
Stattdessen fährt er seit 2002 als Werksfahrer für Porsche, ist viel in den USA unterwegs, wo er die Stuttgarter Farben mit Erfolg vertritt.
Timo Bernhard ist ein Wanderer zwischen den Welten geworden. Zwischen Rennstrecke und Zuhause. Zwischen den USA und Europa. «Wenn wir im Februar irgendwo im Süden auf einer Rennstrecke testen, dann kann es schon einmal sein, dass ich höchstens drei oder vier Tage daheim bin.» Ab und zu, wenn es in der Nähe des eigenen Heims ist, geht seine Frau schon einmal mit zu einem Rennen. «Die ganze Familie steht hinter mir, ohne diesen Rückhalt könnte ich das auf die Dauer nicht durchhalten», weiß der «saarländische Pfälzer», wo er seine Kraft finden kann.
«Wir sind alle ein bisschen Motorsportverrückt. Im positiven Sinne», meint er schmunzelnd. So bis 40 Jahre, glaubt er, «kann ich auf dem hohen Niveau weiter fahren. Dann sehen wir mal weiter. Ich muss nicht unbedingt bis 50 bei jedem Rennen hinter dem Lenkrad sitzen.» Er muss nicht, aber will bestimmt. Denn wer schon als Kind die Motorsport-Gene so aufgesogen hat wie Timo Bernhard, der wird sie Zeit seines Lebens nicht mehr los.