eine Minute lang
im Flammenmeer
Sonntag, 1. August 1976, Nürburgring, Nordschleife. Es läuft der Große Preis von Deutschland, Formel 1, Runde 2, Kilometer 10! Auf regennasser Straße kommt der Ferrari 312 T2 von Niki Lauda im Abschnitt Bergwerk nach rechts von der Strecke ab, prallt in eine Felswand und wird zurückgeschleudert. Das Auto wird noch von anderen Fahrzeugen gerammt und verschwindet in einem Feuerball.Lauda sitzt eine Minute im Flammenmeer, dann zieht ihn der italienische Rennfahrerkollege Arturo Merzario aus dem immer noch brennenden Wrack. Grausame Ironie am Rande: Es war das letzte Formel-1-Rennen auf der Nordschleife, der Vertrag war ausgelaufen.
Noch immer stellen sich den Motorsportfans die feinen Nackenhärchen, wenn sie das Video sehen. Doch sie wissen natürlich, wie die Geschichte ausgeht. Laudas Kämpfernatur und die Kunst der Ärzte in der Ludwigshafener Spezialklinik ermöglichen dem Österreicher, dass er sich 42 Tage nach dem Horrorcrash beim Großen Preis von Italien in Monza wieder an das Lenkrad eines Formel-1 -Autos setzen kann.
Am Montag, dem 20. Mai 2019, ist der Mann mit der roten Kappe an den Folgen einer Lungentransplantation gestorben, einer Spätfolge des Unfalls auf dem Nürburgring.
Ich selbst bin Niki Lauda einige Male begegnet, etwa beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring oder bei den Rennen der „alten“ DTM, der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft, er war dort oft zu Gast. Wo im Fahrerlager eine Menschentraube war, da war Lauda. Auch noch lange nach seiner aktiven Zeit. Er war, nicht zuletzt durch den Unfall, zu einer echten Motorsport-Ikone geworden. Er schrieb Autogramme, redete mit den Leuten – im unvergleichlichen Slang, der nur den Bewohnern der Alpenrepublik eigen ist. Bekannt war Lauda auch für seine klare Sprache, als Klartextredner. Ich erinnere mich an eine Frage von Kollegen. Sie wollten tatsächlich wissen, wie er denn mit seinen Verletzungen klar komme. „I schau aus wie i ausschau“, so die kurz-knappe Antwort des dreifachen Weltmeisters. Ebenso kurzentschlossen sein Ausstieg aus dem Rennsportcircus. 1979, er fuhr bei Brabham, gab er seinem damaligen Teamchef Bernie Ecclestone einen Korb für die kommende Saison. Er wolle nicht mehr im Kreis fahren, so die Aussage des Wieners in einer knappen Stellungnahme.
In einer Gesprächsrunde erzählte Niki Lauda einmal, dass nicht der Unfall sein Leben geprägt hätte. Das sei der Absturz einer Boeing 767 seiner Fluggesellschaft Lauda Air nahe der thailändischen Ortschaft Phu Toey gewesen. „Ich habe die 223 Menschen nicht sicher nach Hause gebracht, sondern alle sind gestorben, das hat mich sehr getroffen“, so Lauda
I schau aus
wie i ausschau
Der Wiener Niki Lauda blieb dem Rennzirkus erhalten, zuletzt als Aufsichtsratschef des Mercedes–Rennstalls und als Kommentator bei RTL. Auch hier war er bekannt für seine klaren Ansagen. Er kritisierte in konkreten Worten die Fahrer, auch seine eigenen bei Mercedes – wenn sie seiner profunden Meinung nach ein schlechtes Rennen fuhren und Fehler machten. Ebenso konnte Lauda aber auch loben. Legendär im Fernsehen sein Satz „Davor zieh ich meine Kappe“ – was er dann auch tat. Jetzt, nach 70 aufregenden Lebensjahren, ist der Mann mit der roten Kappe nicht mehr in der Boxengasse unterwegs. Er wird dem Motorsport fehlen!