Der Mann heißt Sven Quandt und entstammt einer der erfolgreichsten deutschen Kaufmanns- und Industriellenfamilien. Seine heutige Firma heißt seit 2001 «X-Raid GmbH». Die Wettbewerbsfahrzeuge basieren auf BMW-Produkten. Die ersten Jahre traten Sven Quandts Teams auf X-5-Allradlern an, seit 2006 hat man sich für den kleineren und wendigeren X-3 entschieden. Alle implantierten Motoren stammen aus der Triebwerksschmiede im oberösterreichischen Steyr, weisen 3 Liter Hubraum auf und folgen dem Selbstzünderprinzip. Soweit die Einführung.
Sven Quandt war bereits in jugendlichen Jahren vom Motorsportbazillus befallen worden, holte sich erste Erfahrungen und Erfolge als Pilot, dann als Beifahrer und schließlich wieder als Fahrer. Mitsubishi-Pajeros waren damals seine Favoriten, nicht zu Unrecht, wie ein Dutzend Dakar-Siege dieser Marke bestätigen. Quandt baute in der eigenen kleinen Firma Pajeros für sich und seine internationalen Kunden für Wüsten-Rallyes auf und modifizierte sie nach den strengen Regeln der FIA (oberste internationale Motorsportbehörde). Er selbst griff wieder ins Lenkrad: Schließlich wusste er schon damals, wo es lang ging und wie der Begriff «Erfolg» realisiert und interpretiert werden musste. Quandt wurde in der sogenannten Marathon-Wertung zweimal Vizeweltmeister und schließlich sogar Weltmeister. Dazwischen baute er Sonderserien für den Importeur von Mitsubishi mit sportlichem Outfit, die so schnell verkauft waren, dass der Kleinserienauftrag flugs erledigt war. Dann wurde Sven Quandt quasi geadelt und zum Motorsport-Chef von Mitsubishi weltweit gekürt. Mit dem Erfolg, dass er den überwiegend administrativen Aufgaben nach etwa zwei Jahren Valet sagte und somit auch den Japanern abhanden kam: Zeit also, zu BMW-Produkten zu wechseln. Damit sind wir ins Heute zurückgekehrt.
Unweit des Rheins, im westlichsten Eck Hessens liegt Trebur-Astheim. Dort sitzt die Zentrale von «X-Raid GmbH». Hier ist die Gedankenfabrik eng gekoppelt mit Technik, Mechanik und Elektronik, mit Planung, Sponsorensuche und Organisation. Immerhin rennen die X-Raid-BMWs auf den härtesten Rallyes der Welt: Dakar-Argentinien, Tunesien, Marokko, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Als erstem gelang es einem X-5-Rallyefahrzeug, bei der klassischen Dakar die ersten Tagesetappen und Sonderprüfungen mit einem Dieseltriebwerk zu gewinnen. Leistung, Konstanz und Zuverlässigkeit gingen eine erfolgreiche Ehe ein.
So standen die weltbesten Fahrer bei Quandt «auf der Matte», wenn es um die Vergabe der Piloten- und Copilotenplätze ging:
Jutta Kleinschmidt, Luc Alphand, Stephane Peterhansel, Nasser al-Attiyah, Nani Roma, Guerlain Chicherit. Zu den reinen Renngeräten gesellen sich riesige MAN-Trucks für den perfekten technischen Service: Tonnenschwere Saurier, die meist nicht viel langsamer als die Rallyefahrzeuge durch Sand und Staub hetzen müssen.
Etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Trebur-Astheim, eine interna-tionale Crew, gewitzt durch die langjährige Praxis, gestählt bei den weltweiten Einsätzen, rund um die Welt, rund um die Uhr. Bei großen Einsätzen in der Weltmeisterschaft stoßen noch bis zu zwei Dutzend Freelancer dazu.
Die modernen Rennfahrzeuge haben kaum mehr als Frontscheibe und Türgriffe vom Großserien-Basisfahrzeug.
Eine aus verwindungssteifem Stahlrohrgeflecht geschweißte Sicherheitszelle wird angeliefert, die mechanischen Komponenten kommen fertig mit Motor, Getriebe und Achshälften in die Hallen und müssen in Präzisionsarbeit mit den Fahrwerksteilen zusammengefügt werden. Darüber wird eine Karosserie aus Kevlar und Carbon gestülpt und fest geschraubt. Der Innenraum gleicht mehr einem Jet der Neuzeit als einem Pkw. Wenn alles zusammengefügt ist, wiegt der Renner nach FIA-Reglement 1.900 Kilogramm, das sogenannte Mindestgewicht, das keinesfalls unterschritten werden darf, aber, wenn möglich, auch nicht überschritten werden sollte. Eine ständige enge Gratwanderung. Knapp 290 PS leisten die Drei-Liter-Dieseltriebwerke, die aus der Serienproduktion stammen und von Spezialisten optimiert werden, stemmen etwa 650 Newtonmeter Drehmoment auf das sequentielle 6-Ganggetriebe. Im Inneren sorgt ein 400-Liter-Sicherheitstank für lange Abstände zwischen den Servicestationen.
Darin liegt einer der wesentlichen Garanten für gewonnene Zeitvorsprünge:
Der Diesel ist – auch im Rennbetrieb – genügsamer als die 6- und 8-zylindrigen Motoren der Mitbewerber.
Die Hightech-Fahrzeuge sind nicht billig. Etwa 900.000 Euro kostet solch ein BMW X-3 CC, wie die offizielle Rennversion genannt wird. Man kann sie aber auch für Einzeleinsätze mieten, was mit etwa 120.000 Euro zu Buche schlägt. Die Erfahrungen in den Rennen werden genauestens ausgewertet und fließen als «Feedback» wieder in Einzelbereiche der Großserie ein.
Der «Chef» hat auch in anderer Weise vorgesorgt: Seine beiden Söhne Thomas und Tobias sind bereits ins Unternehmen integriert. Der jüngere kümmert sich um Technik, Organisation und Sponsoring, während sein Bruder die Öffentlichkeitsarbeit und alle Medienkontakte aufbaut und leitet. Wenigstens darum braucht sich Chef Quandt nicht mehr auch noch zu kümmern. Sein Name hat in der internationalen Szene Gewicht und so bleiben die wichtigsten und teuersten Entscheidungen weiterhin bei ihm, dem ehemaligen Weltmeister als «Marathon-Mann» der Cross-Country-Szene.