Die Jungs vom Polarkreis haben angerufen


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„Lasst Euch doch mal sehen hier oben im skandinavischen Winter. Hier ist immer was los. Alles ist angerichtet: Schnee, Eis, deftiges Essen, klirrende Kälte und, ja, in den kurzen Tagesstunden sogar richtig Sonne. Lernt hier mal, wie man im Winter richtig und sicher fährt.“ Der Anruf ist einige Zeit her.

Das war eine Ansage, die wir nicht so einfach an uns abprallen lassen wollten. Ziel: erstmal Östersund, unweit von Are, wo Slalom-Legende Ingemar Stenmark herkommt. Na, klasse! Aus dem kuschelig-warmen Flieger an die frische Luft: minus 20 Grad. Uns fror schier der Rotz in der Nase fest. Erstmal Klamottenwechsel auf „Arctic style“: Thermohose und -jacke, dicke Handschuhe, gefüttertes Schuhwerk, Pelzkappe. Dann ging es los in winterfesten Allradlern gen Norden bei strahlendem Gegenlicht der kurzzeitig angeknipsten Sonne. Schneebedeckte Fahrbahnen, darunter tückisches Blankeis, drum herum tief verschneiter Wald. Wir kamen zügig voran mit den 4×4-Geräten, die speziellen Winterpneus garantierten allzeit optimalen Grip. Tipp unserer Freunde: beim Abbiegen schon mal zwei Kilometer vorher langsam das Gas wegnehmen, sanft runter-schalten, und sehr sensibel in die Kurven einlenken. Sonst wartet eine komplizierte Bergung aus dem Wald …

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Ein zugefrorener See, einer von tausenden in Schweden, bot erste Highlights: ein Slalom war mit Pylonen abgesteckt, wir sollten uns hier mal fit machen. Bengt, der amtierende „Fahrdienstleiter“, sprich Trainer und Instruktor, dirigierte uns auf die matt schimmernde Eisfläche. Gab Tipps, zeigte uns die beste Sitzposition. Die erste Runde verbrachten wir auf dem heißen Sitz neben ihm, dann durften wir solo fahren. Bilanz: es war eigentlich beschämend, ja frustrierend, was wir da boten. Zumindest in den ersten vier Runden. Nie rollte oder rutschte das Fahrzeug in die von uns per Lenkrad definierte Richtung. Entweder wir kamen rückwärts mit dem Heck oder quer aus der Pylonenvorgabe heraus. Leichte Besserung stellte sich erst anschließend ein, doch Bengts Slalomzeit verpassten wir nur knapp um Lichtjahre …

„Velly slippely“ würden die Japaner sagen, wenn sie diesen Parcours befahren müssten. Aus der Provinz Jämtland ging es Kurs Nord, dem Polarkreis zu, genauer gesagt: 66,5 Grad nördlicher Breite. Lappland nahm uns auf, das schwedische Lappland, es gibt auch ein finnisches.

Vorbei an Arvidsjaur, dem Winter-Testzentrum nahezu der gesamten Automobilwelt, wo uns maskierte Prototypen europäischer Provenienz entgegen kamen, auf der E 45 nach Jokkmokk. 15 Kilometer zuvor hatten wir den Polarkreis überfahren. Immer wieder Warnschilder vor Elchen und Rentieren. Einheimische binden zusätzlich schwarze Plastiklappen an besonders gefährdeten Passagen an den Straßenrand. Die Rens sind zwar Herdentiere, marschieren aber auch gerne einmal solo durch Forst und Flur. Und eben über Straßen, um karge Nahrung zu suchen.

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Der Schnee in der Landschaft wurde weniger, die Kälte nahm dafür zu. Die nächste Überraschung im Programm: Skidoo fahren. Motorschlitten sind das mit breitem, geripptem Gummiantriebsband, Kufen und Motorradlenker. Für rektal zart besaitete Mitteleuropäer auch beheizt. Starke Zweitakter als Antriebsquelle: bis über 100 km/h sind möglich. Wir ließen es „lento“ angehen. Wer Motorrad fährt, tut sich a priori leichter, muss aber beim Skidoo mehr mit dem Körper arbeiten. Der Fahrtwind und die Kälte erzwingen zusätzlichen Schutz gegen die frostigen Temperaturen. Nach gut zwei Stunden fielen uns beinahe die Arme ab: die Motorschlitten müssen richtig bezwungen werden.

Wir sattelten wieder auf vier angetriebene Räder um. Erholung pur! Kirchen und wenige Gasthäuser am Wegesrand: Kräftig naturfarben bemalt, weithin sichtbar. Einheimische in originaler Lappenkleidung grüßen uns. Ein „Wirtshaus“ mit handgeschmiedetem Eingangsschild fasziniert uns. Und es dauert nicht mehr lange, bis wir die nächste Überraschung erleben: eine Übernachtung im „Eis-Hotel“. Da ist wirklich alles Architektonische aus hartem Eis, auch und vor allem die „Schlafräume“. Ein Eisblock in den Abmessungen eines ausladenden Doppelbetts. Darauf nur ein paar Rentierfelle zur Isolierung nach unten, rein in den Schlafsack. Immerhin fünf Grad minus innen, während draußen Vater Frost bei -30°C sein Wesen treibt.

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Die Lappen sind ein wettergegerbtes, stilles und arbeitsames Volk, naturverbunden, sehr gastfreundlich. Der kurze Sommer lässt nur etwas Gemüse und wilde Beeren zu: schmackhaft und gesund. Und die übrige Küche? Deftig und reichlich. Das Ren spielt dabei eine wichtige Rolle: es liefert Milch, die zu herzhaftem Käse verarbeitet wird, es liefert Fleisch und nach seinem Ableben wird sein Fell für Kleidung und Wohnstätte weiter verarbeitet. Wir waren in den hellen Monaten hier, die Winter sind lang und kalt. Die Nordlichter geistern am Himmel. Das Eisbett hat übrigens einen großen Vorzug: es gibt keine Bettfedern, die quietschen. Dafür ist es knüppelhart. Eine Nacht genügt im Prinzip …

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