Die Oldtimer der Oldtimer-Szene


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Die Firma Schröder & Weise Classics in Hannover zählt zu den ältesten Handelsfirmen für Automobil-Klassiker, Auto-Literatur und Automobilia in Europa. Ein Blick hinter die Kulissen eines Metiers, in dem Erfolg auf Erfahrung, Diskretion und Fachwissen fußt.

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Stellen Sie sich eine Handvoll Auto-Idealisten vor, die zu Beginn der 1970er-Jahre zu einem Treffen zusammenkommen. Nehmen wir an, einer von ihnen fährt einen alten VW Käfer, denn er ist Student und notorisch knapp bei Kasse. Ein anderer reist mit seinem Mercedes-Benz 300 SL an. Er hält, die Flügeltür auf der Fahrerseite schwingt nach oben, und aus dem Cockpit entweicht warme Luft, die nach altem Leder duftet. Gerade erst hat er diesen Traum-Sportwagen der 1950er-Jahre für kleines Geld beim Gebrauchtwagenhändler erworben. Wieder verkaufen? Empört schüttelt er den Kopf, während er sich aus dem engen Cockpit herausfädelt. Steht überhaupt nicht zur Diskussion. Gleichermaßen entsetzt über eine solche Frage ist der Fahrer des daneben parkenden Horch. Das über 30 Jahre alte Automobil hat die Anfahrt klaglos absolviert. Erst vor Kurzem hat der neue Besitzer es von seinem Großvater übernommen. Diesen Fans, das wird rasch klar, geht es nicht um Geld und Geltung. Sie zählen Anfang der 1970er-Jahre zum winzigen Kreis der Exzentriker mit Spaß an alten Autos – und werden deshalb von vielen belächelt.

Zu jener Zeit vor rund 40 Jahren knattert auch ein Teenager auf seinem Moped zu solchen Zusammenkünften. Er heißt Hans-Joachim Weise, stammt aus Hannover, ist Baujahr 1955 und von alten Zwei- und Vierrädern fasziniert. «Überschaubar waren die Anfänge der Oldtimer-Szene», blickt der Mann mit dem Zopf schmunzelnd zurück. «Es gab Einzelkämpfer, die froh waren, auf Gleichgesinnte zu treffen, mit denen sie sich austauschen konnten. Gemeinsam bildeten sie eine Familie, und dabei war es völlig gleichgültig, ob man Käfer oder Kompressor-Mercedes, Ferrari oder Fiat fuhr», erinnert sich Weise.

Zusammen mit seinem späteren ersten Kompagnon namens Schröder beschließt Hans-Joachim Weise, das exotische Hobby zum Beruf zu machen. «Viele haben uns damals für verrückt gehalten», sagt er rückblickend. Doch das Duo Schröder und Weise hat Erfolg. Ständig sind die beiden Enthusiasten auf der Suche nach Klassikern, importieren Autos aus den USA, aus Schweden, aus Frankreich. Fast noch wichtiger als die Zahl der verkauften Automobile ist die Zahl der geknüpften Kontakte. 1977 erfolgt die Gründung einer ersten GmbH unter den Personennamen Schröder und Weise, die auf Anhieb zum festen Inventar der Szene gehört. Geradezu legendär ist eine Aktion Ende der 1970er-Jahre, als es den beiden gelingt, den V12-Motor eines Auto Union-Silberpfeils in einer Geheimaktion aus der damaligen DDR herauszuschleusen.

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Heute steht die hannoversche Firma im Ruf, vor allem solche Preziosen im Angebot zu haben, die wenig bekannt sind,

noch nicht von Händler zu Händler weitergereicht wurden und damit – wie es mittlerweile oft der Fall ist – zu reinen Spekulationsobjekten mit teils fragwürdiger Historie verkommen sind.

«Den Ruf, dass sich bei Schröder und Weise Gleichgesinnte und nicht Geschäftemacher um ausgesuchte Sammlerfahrzeuge bemühen, haben wir uns hart erarbeitet», erklärt Hans-Joachim Weise. Gewachsen sind diskrete, auf Dauerhaftigkeit angelegte Geschäftsbeziehungen. «In der Regel vermitteln wir als neutrale Beauftragte zwischen den Parteien und treffen dabei oft Personen und Fahrzeuge wieder, denen wir schon vor über 20 Jahren begegnet sind. Das begeistert mich stets aufs Neue», sagt Weise.

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Was Werbung in eigener Sache betrifft, verfahren Hans-Joachim Weise und Jürgen Müller, sein Geschäftspartner seit 1994, so zurückhaltend wie Rolls Royce mit PS-Angaben. Dabei erstrecken sich die Aktivitäten der Firma keineswegs nur auf den Handel mit ausgesuchten Klassikern. Antiquarische und neue Bücher, historische Prospekte, alte Betriebsanleitungen und Automobilia ergänzen das Portfolio. Regalmeterweise nationale und internationale Automobil-literatur und unzählige Hängeregister mit seltenen Unterlagen stehen im hannoverschen Stadtteil Anderten dicht an dicht. Stellwände mit alten Zeitschriften und Vitrinen, in denen vom Zentralverschluss für die Holzspeichenfelge bis zum Aschenbecher mit Borgward-Werbelogo alles zu finden ist, was das Sammlerherz begehrt, füllen neben Automobilen die Verkaufsräume. Wer das vermutlich älteste in Deutschland erschienene Kinderbuch zum Thema Automobil sucht, wird ebenso fündig wie Interessenten für die neueste englisch- oder französischsprachige Literatur. «Ich hatte schon immer eine Affinität zu bedrucktem Papier zum Thema Auto», räumt Hans-Joachim Weise ein. «Damit war ich um die Mitte der 1970er-Jahre allerdings ziemlich allein auf weiter Flur. Damals galten zum Beispiel alte Prospekte oder Zeitschriften nicht als sammelnswerte Objekte, sondern wurden bestenfalls wegen ihres Informationsgehalts gesucht», blickt er zurück.

Das «Autoantiquariat», zunächst als flankierendes Tagesgeschäft zum Klassiker-Handel geplant, entpuppte sich als geniale Geschäftsidee.

1978 wurde der erste Basiskatalog veröffentlicht, drei weitere sollten folgen, die bis heute von Sammlern als einschlägige Quellen genutzt werden. Mit dem Anbruch des Zeitalters der elektronischen Datenverarbeitung stellte Schröder und Weise in den 1980er-Jahren mit eigenen Programmierern auf eine softwaregestützte Verwaltung samt elektronischer Suchkartei um. Das Wissen der Experten aus Hannover machte sie zu Ansprechpartnern für Sammler weltweit, für Museums- und Werksarchive sowie für die Planer von Museumsshops.
Bis zu 18 Mitarbeiter waren Ende der 1980er-Jahre, einer Oldtimer-Boomzeit, mit
der Verwaltung von 12.000 lieferbaren Neubüchern, 5.000 antiquarischen Titeln, 20.000 Zeitschriften und 40.000 Prospekten beschäftigt. Nach wenigen Mausklicks kann Hans-Joachim Weise auch mit den aktuellen Zahlen aufwarten. «Im Augenblick umfasst unsere Datenbank über 60.000 Datensätze zu Auto- und Motorrad-Büchern, und über 8.400 Bücher sind direkt lieferbar», hält er fest.

Auch eine dritte Geschäftsidee, die heute aus der Sammler-Szene nicht mehr wegzudenken ist, wurde von Schröder und Weise in den 1970er-Jahren aus den USA nach Deutschland mitgebracht. Unter dem markenrechtlich geschützten Begriff «Autopaletot» bietet die Firma maßgeschneiderte Baumwoll-Abdeckungen für alte und neue Automobile an. Produziert werden die edlen Schutzhüllen nach höchsten Qualitätsansprüchen in Eigenregie – über 1.000 Schnittmuster lagern bereits im Archiv. Nach fast 40 Geschäftsjahren ist Schröder und Weise fester Bestandteil einer Szene, die sich grundlegend gewandelt hat. Was eine Handvoll Individualisten mit einer Leidenschaft für Oldtimer einst anschob, hat sich zu einem gewichtigen Wirtschaftszweig entwickelt, der jährlich Milliardensummen umsetzt – alle Bereiche wie zum Beispiel auch Oldtimer-Veranstaltungen und Restaurierungen mitgerechnet. Gesuchte Auto-Klassiker gelten mittlerweile als Investmentgüter. Doch Hans-Joachim Weise warnt: «Nur wer mit Wissen, Gefühl und Verstand kauft, erwirbt eine lohnende Geldanlage.» Ein bisschen so idealistisch wie in den Anfangsjahren der Oldtimerei darf man trotzdem bleiben.

Adresse

Schröder & Weise Classics GmbH
Scheibenstandsweg 7
30559 Hannover-Anderten

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