Alexander Graeff heißt der ungestüme und furchtlose Rodeoreiter, der auf der ansonsten so friedfertigen Mosel in Höhe des ebenso romantischen wie geschäftstüchtigen Touristenstädtchens Traben-Trarbach seiner Leidenschaft nachgeht. Wobei das Wort Leidenschaft in diesem Falle wohl wörtlich zu nehmen ist. Denn Alexander hat, seit er der Passion des Motorboot-Rennens nachgeht, schon so viele Schläge und damit auch ebenso viele Prellungen und blaue Flecken von seinem stählernen Einsatzgerät erhalten, dass er längst aufgehört hat, die „Feindberührungen“ zwischen Fahrer und Boot zu zählen.
Es ist Ende Mai und auf der Mosel bei Traben-Trarbach finden Rennen unter der Ägide des ADAC-Motorsport-Reglements statt. In diesem Jahr geht es erstmals seit fast 20 Jahren wieder um Punkte zur Deutschen Meisterschaft in den verschiedenen Klassen. Fast 30 Jahre lang war die auf beiden Seiten von Weinbergen eingerahmte Doppelstadt das Mekka des Deutschen Motorboot-Rennsports. In den 1970er- und 1980er-Jahren gab sich alljährlich die Weltelite vor Traben-Trarbach die Ehre. Bis die Kosten explodierten und fast 20 Jahre im wahrsten Sinne des Wortes Ruhe im Schiff herrschte.
Erst im vergangenen Jahr startete der einheimische Gewerbeverein den Versuch einer sportlichen Wiederauferstehung, und das Konzept zwischen ADAC, Stadt, Gewerbetreibenden und interessierten Gästen scheint zu funktionieren. Im ersten Jahr wurden gleich ein paar Tausend Kiebitze an drei Tagen am Ufer gezählt. Und so kam auch Alexander Graeff zur Ehre eines „Heimspiels.“
Der 24-Jährige aus Traben-Trarbach ist das Aushängeschild seines Heimatclubs. Er ist Eigengewächs der Mosel und doch gleichzeitig auf Europas Rennstrecken zu Hause: Er startete beim 32. Internationalen Traben-Trarbacher Motorboot-Rennen in der Europameisterschafts-Wertung „OSY 400“ unter ganz besonderen Vorzeichen.
Eigentlich kann Alex Graeff von seinem Element, dem Wasser, nicht genug bekommen. Motorboot-Rennen, das ist die ganz spezielle Welt des 24-Jährigen. Mit 16 Jahren saß, oder besser gesagt, lag er zum ersten Mal bäuchlings in einem der fliegenden Einbäume. Zuvor war er Mechaniker im Team seines Bruders Johannes gewesen, der auch selbst Rennen fuhr. „Dort habe ich mich quasi angesteckt. Ich wollte nicht immer nur schrauben. Sondern auch den Nervenkitzel im Boot spüren“, erzählt er uns.
An diesem Samstag aber hatte Graeff vom Wasser – zumindest vorübergehend – nicht nur die Nase, sondern auch das Boot ziemlich voll. „Es war alles nass im Boot, der Topspeed ging rapide in den Keller. Leck im Boot.“
So was könne schon mal vorkommen, erzählt der Rennboote-Mechaniker, der seine „grüne Mamba“ als Schrauber-Profi aus dem Effeff kennt. Ein „Platzer“ war dafür verantwortlich, dass eines der hoch gezüchteten Zweizylinder-Zweitakter-Aggregate, die für den Vortrieb der Rennmaschinen verantwortlich sind, den Geist aufgab.
Mindestens vier, höchstens 13 Rennen bestreitet er pro Saison. „Auf deutschen Flüssen, größeren Seen, aber auch in Ost- und Südeuropa.“ Die Esten, Polen, Slowaken, Italiener: das sind die Schwergewichte in seiner Bootsklasse. Wobei man den Begriff „Europameisterschaft“ nicht allzu genau nehmen darf. „Es werden sogar Rennen in den USA gefahren.“ Er selbst sei dort noch nicht gefahren, meint er und reibt schmunzelnd Daumen und Zeigefinger aneinander: „Ist eben nicht ganz billig, so was.“
In Deutschland gehört er zur nationalen Elite, in Europa „bin ich irgendwo unter den Top Ten“ schätzt er sich selbst ein. Gute Nerven müsse man haben, um ein erfolgreicher Pilot zu sein. Dazu viel taktisches Geschick in den Rennen sowie ein kluges fahrerisches manövrieren an den mit Wendepunkten markierten Bojen in den engen Duellen Boot an Boot. Etwa 33 PS leistet der serienmäßige Zweitakter. („Daran darf nichts verändert werden, nur am Propeller kann ich arbeiten“). Bis zu 7.500 Touren dreht das „Herz“ des Bootes, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei etwa 160 km/h. Auf seinem Heimatkurs wurden pro Rennen sechs Runden auf dem 600 Meter langen Zweibojen-Kurs absolviert.
Als nach dem Renn-Wochenende Bilanz gezogen wurde, wusste Graeff nicht so recht, ob er nun zufrieden sein sollte oder nicht. Rang vier unter 13 Teilnehmern stand nach vier Rennen für ihn unter dem Strich. „Wenn man bedenkt, dass ich heute zum ersten Mal ein komplett neues Boot eingesetzt habe, könnte ich damit eigentlich zufrieden sein. Im Prinzip hat alles funktioniert“, sagte er dem KÜS-Magazin mit einigem Abstand nach dem vierten und letzten Lauf.
Ein kleines Malheur aber wollte er jedoch nicht verhehlen. „Ein Fahrfehler im letzten Lauf hat mich eine bessere Platzierung im Gesamtklassement gekostet. Dann wäre ich wohl hier zu Hause aufs Treppchen gekommen.“ Und das, so bekräftigt er mit gesundem sportlichen Ehrgeiz „ist schließlich mein Ziel. Ich fahre Rennen, um zu gewinnen.“ Dann also im nächsten Jahr wieder in seinem „nassen Wohnzimmer“ auf der Mosel.