Der ehemalige NRW-Verkehrsminister Michael Groscheck war begeistert.
An der A15 bei Rotterdam in den Niederlanden hatte er sich im Herbst 2015 zeigen lassen, wie in unserem westlichen Nachbarland viele Brücken gebaut werden: Nach dem »Lego-Prinzip« – also mit vielen vorgefertigten Elementen – und damit deutlich schneller als hierzulande. Das muss bei uns auch möglich sein, meinte der Politiker und gab seiner Behörde den entsprechenden Auftrag (siehe KÜSmagazin 45, Winter 2015). Inzwischen sind die ersten Lego-Brücken in Nordrhein-Westfalen für den Verkehr freigegeben.
Als Minister hat Groschek die Freigabe der ersten Baustein-Brücke – so der offizielle Name – nicht mehr erlebt. „Wir haben kein Duplikat zu den Niederlanden gebaut“, erläutert Franz Fischer, Projektleiter der Brücke Hammacher Straße über die A46 bei Hagen. Vielmehr habe man auf das Ingenieurswissen aus ganz Deutschland zurückgreifen wollen und einen Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich zwölf Ingenieurbüros beteiligten. Der erste Platz der Sweco GmbH, Bremen, wurde bei Hagen umgesetzt. Andere Wettbewerbsbeiträge sind in Werne im Münsterland gebaut worden oder stehen an der A3 bei Emmerich-Elten am Niederrhein vor der Realisierung. „Es gab keine Ausnahmen vom Regelwerk und keine Abstriche gegenüber konventioneller Bauweise“, weist Fischer für die Hammacher Straße anfängliche Kritik zurück, die Lego-Brücken könnten nicht so solide wie herkömmliche Bauwerke sein.
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Ingenieurswissen
aus ganz Deutschland
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In Hagen wurden etwa 60 relativ große und rund 120 kleinere Fertigteile zusammengefügt, die zuvor in einer Fabrik witterungsunabhängig gegossen worden waren. Die größten Fertigteile haben eine Länge von fast 40 Metern. Fundamentteile und Widerlagersteine bringen bis zu 57 Tonnen auf die Waage. Vier große Stahlträger überspannen die gesamte Autobahn ohne Mittelpfeiler. Flüssigmetall sorgt dafür, dass an ihrer Verbindung mit den Widerlagern keine korrosionsanfälligen Lücken bleiben.
An der A3 wird Mitte 2019 sogar bei den Widerlagern weitestgehend auf Beton verzichtet. „Bewehrte Erde“ ist hier das Stichwort. Dabei werden mit Hilfe von flexiblen Kunststoffnetzen, sogenannten Geogittern, Bodenschichten aufgebaut, die so tragfähig sein sollen, dass ein Betonquerbalken und darauf der Überbau aufgelegt werden können. Zur Autobahn hin werden die Bewehrte-Erde-Widerlager mit Beton verkleidet.
Der Vorteil der Bausteinbrücken für die Volkswirtschaft ist enorm. Die Bauzeit vor Ort betrug in Hagen gerade mal 100 Tage, bei Elten sollen es nur 80 sein. Bei konventionellem Brückenneubau geht Straßen.NRW von 220 Sperrtagen aus. Auf den Autobahnen gibt es lediglich verengte Fahrstreifen im Bereich der Brückenbaustellen und in wenigen Nächten Vollsperrungen für den Abriss der alten Brücken und das Einsetzen der Stahlträger. Die Hammacher Straße als Teil eines Gewerbegebietes wird täglich von bis zu 1.000 Lkw und 7.000 Pkw genutzt (Prognose 2030). Damit sind Tausenden Fahrzeugen monatelang Umwege erspart geblieben.
Ein Kommentar
Wenn jemand an einer sehr schnellen Bauweise für Massivbrücken interessiert ist, sollte er nach Frankreich, England, USA und Südostasien schauen. Dort werden seit vielen Jahren sogenannte Segmentbrücken errichtet. Damit sind Bauzeiten für eine 45 m weit gespanntes Brückenfeld von ca. 2 Tagen (+ Stützen und Pfeiler) möglich. (siehe bspw. Aad Van der Horst et al.: Precast Segmental Bridges. FIB Bulletin 82, 2017, ISBN 978-2-88394-122-9).