Mit dem Auto unterwegs in Japan
Japanische Schnellstraßen zählen zu den modernsten weltweit. Überall gibt es intelligente Verkehrsleitsysteme, die Höchstgeschwindigkeit in den Wohngebieten beträgt 40 km/h, auf Schnellstraßen sind es 80 km/h. In der City von Tokio beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit am Tage 6 km/h (kein Druckfehler!). Heißt: In Japan wird diszipliniert – insbesondere: langsam – gefahren. Den Handel mit Gebrauchtwagen teilt sich im Großraum Tokio eine ‘handverlesene’ Anzahl von Händlern.
Ganz anders in Japan. Wie alles, was «gebraucht» ist und auch so aussieht, schlicht als «unfein» gilt, steht auch der Erwerb eines Fahrzeugs aus zweiter oder gar dritter Hand nicht hoch im Kurs. Das lässt sich in Zahlen ausdrücken: Beträgt der Wertverlust eines Neuwagens hierzulande im ersten Jahr zehn bis fünfzehn Prozent, ist es im Land der aufgehenden Sonne das Doppelte bis Dreifache. 30 bis 45 Prozent, die gerne in Kauf genommen werden, denn wer irgendwie kann, leistet sich einen Neuwagen.
Wenn der neu erworbene fahrbare Untersatz dennoch secondhand sein muss, gilt: Gebraucht sein, neu aussehen. Aus dieser Devise hat sich in Japan ein kompletter Industriezweig entwickelt. Unternehmen kaufen Gebrauchtwagen, um sie so gut wie möglich auf neue Optik zu trimmen. Intensive Reinigung von Karosserie und Innenraum versteht sich von selbst: So wenig wie möglich soll an den Vorbesitzer erinnern. Auf Wunsch werden aber auch Teile im Innenraum durch neue ersetzt – Schalthebel, Lenkrad und weitere Bedienelemente.
Das kann soweit gehen, dass der Innenraum vollständig entkernt und neu aufgebaut wird.
Ein Wertesystem, das alles Neue hoch und alles Gebrauchte niedrig schätzt, weil es als unangenehm gilt, etwas zu berühren, das schon von anderen Menschen berührt wurde, ist auch für nicht-japanische Automobilkonzerne eine besonders spezielle Herausforderung. BMW hat sie nicht nur dadurch bewältigt, dass zu den genannten Maßnahmen auch Schutzhüllen für den Innenraum kommen, als sei das Auto frisch vom Band gelaufen.
Als psychologisch geschickt erwies es sich, statt von Gebrauchtfahrzeugen von geprüften Werkswagen zu sprechen.
Indes kaufen nur fünf Prozent der Interessenten in Japan einen Importwagen – 95 Prozent bevorzugen die Produkte heimischer Hersteller.
Dass das Verhältnis zu ihrem Auto beileibe nicht nur vernunftorientiert ist, zeigt sich an einer weiteren Maßnahme, die viele Fahrzeugbesitzer im Anschluss an den Erwerb ergreifen. Für umgerechnet rund 75 Euro kann das Auto von einem Shinto-Priester gesegnet werden. Das soll alles Böse vom Auto fernhalten.