Nun beginnt die Langsamkeit zu Fuß oder mit dem Rad. Fürs Gepäck warten Handwagen, die die Vermieter und Hoteliers in den Häfen postieren. Wahlweise stehen Pferdekutschen bereit. Bei Regen selbstverständlich mit Plane.
Wenn Sie mit dem Schiff von Stralsund aus anreisen, beginnt das Loslassen schon an Bord. Etwa mit Fischbrötchen und einem Panoramablick auf die alte Hansestadt und die neue Rügenbrücke, die aus der Ferne wirklich wie ein riesiges Segelboot erscheint. Bis zum ersten Halt, dem südlichen Inselhafen Neuendorf sind es 90 Minuten und der nördliche Hafen Kloster ist nach zweieinhalb Stunden erreicht. Da hat der Städter Zeit, sich auf die Natur vom hügeligen Norden mit dem markanten Leuchtturm am Dornbusch, der Steilküste, dem langen Strand an der Westküste, der Heidelandschaft zu freuen. Der schmale südliche Teil geht in das Vogelschutzgebiet auf dem Gellen über, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.
nur Stille, Stille, dass es nicht etwa ein Weltbad werde. – Gerhart Hauptmann
„Dat söte Länneken“ (das süße Ländchen) hat keine Kurpromenade, Disco oder Nachtbar, dafür Meeresrauschen, Sternenglanz, Konzerte und Lesungen etwa in der Insel-Kirche oder im Gerhart-Hauptmann-Museum in Kloster. Ja, der Dichter liebte diese Insel, wie so viele, etwa Joachim Ringelnatz, Käthe Kruse, Albert Einstein. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Wer Lust auf Kunst hat, dem seien die zauberhaften Aufführungen auf der Seebühne, dem maritimen Kammertheater in Vitte, empfohlen.
Die etwa 16,5 Kilometer lange Insel sind rasch durchmessen. Auch die Breite ist übersichtlich: von 250 bis etwa 3750 Metern. Alles ist Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Von Vitte aus nach Süden kommt man ins Fischerdorf Neuendorf. Ein stilles Dorf, das eine Ahnung von der Härte des Lebens in alten Zeiten vermittelt. Nach Norden hingegen, führt ein sandiger Weg ins rund zwei Kilometer entfernte Kloster, geradeaus weiter kommt das älteste und kleinste Dorf Grieben, links geht’s dann ins Hügelland. Da grüßt schon der Leuchtturm mit herrlichem Blick über Land und Meer. Mit allerlei Zwischenstopps an reetgedeckten Katen, architektonischen Kleinoden, einer früheren Seenotrettungsstation, Kirche und Inselfriedhof ist dieser Weg eigentlich ein Kulturpfad. So entdeckt man die bewegte Inselgeschichte mit Piraten, einem vergrabenen Goldschatz, tatkräftigen Zisterziensern, Künstlern, und der Verwandlung eines rauen, abgeschiedenen Lebensortes in ein sommerliches Refugium. Lektüre genug für laue Sommerabende am Strand.
Aber Vorsicht. Wer damit beginnt, ist der Insel verfallen und kommt immer wieder.