Seine Kollegen um Dr. Christoph Hawat sind dem Thema Lack im wahrsten Sinne auf den Grund gegangen. Sie hatten ein interessantes wie edles Studienobjekt: Einen Delahaye Typ 87, Baujahr 1924. Der Oldtimer ist eine Leihgabe des französischen Nationalmuseums Cité de l’Automobile aus der weltberühmten Sammlung Schlumpf. Zusätzlich hatten sie die Möglichkeit, aus der Reserve der Collection Schlumpf Karosserieteile mit zum Teil über 100 Jahre altem Lack zu untersuchen und auch mit Steinschlag- und Kratzprüfungen zu malträtieren. Dass oft die nach heutigen Maßstäben schlechteste Note 5 herauskam, verwundert nicht.
Über die optische Betrachtung, mikroskopische Untersuchungen und spektroskopische Analysen drangen die münsterschen Lackprofis bis in die Nanobereichsanalyse vor. Sogar ein Transmissionselektronenmikroskop bei der Glasurit-Mutter BASF in Ludwigshafen kam zum Einsatz. Angesichts immenser Wertsteigerungen bei Oldtimern sieht Book in derartigen Analysen in der Zukunft einen eigenen kleinen Markt: Bei Millionenbeträgen, für die einzelne historische Fahrzeuge inzwischen gehandelt werden, könne eine Lackexpertise vielleicht vor einem teuren Fehlkauf bewahren. Selbst wenn sie eine fünfstellige Summe im unteren Bereich kostet.
Nicht bestimmbar ist das Alter einer Lackierung
Deshalb ist der Abgleich mit der dokumentierten Historie sehr wichtig. „Unter Umständen findet man heraus, dass die Historie nicht zum Lackaufbau passt“, verdeutlicht Book.
Der Delahaye ist inzwischen über alle Zweifel erhaben. Nach dem Abgleich mit Referenzproben steht einwandfrei fest, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen ölbasierten Lack handelt. Öllack stammt aus der Kutschenzeit und wurden mit einem Pinsel aufgetragen. Er trocknete extrem langsam. Es waren über 20 Arbeitsschritte nötig, die Lackierung konnte sich über vier bis sechs Wochen hinziehen. Die chemisch-physikalische Lackanalytik und die Mikroanalytik zeigen Einlagerungen von heute nicht mehr verwendeten Materialien auf Basis von Schwermetallen (Blei, Cadmium), aber auch teils heute noch verwendete Rohstoffe wie Schwerspat und Calciumcarbonat.
Mit der Fließbandfertigung kamen die Nitrolacke
Jürgen Book erklärt: „Nitrolack kann technologisch nicht viel mehr als schnell trocknen und das war die Hauptanforderung für diese Technologie.“ Für Hochglanz ist häufiges Polieren nötig, wodurch viele Oberflächen „durchpoliert sind“. Sie sind sehr spröde, dadurch ergibt sich eine schlechte mechanische- undSteinschlagbeständigkeit. Thermoplastische Lacke, Kunstharz- sowie Zweikomponenten-Lacke waren weitere Entwicklungsstufen bis zu den heutigen Wasserbasislacken ab 1986. Gegen sie gibt und gab es Vorbehalte.
„Bis zu 50 Komponenten befinden sich in einem Lack“, erklärt Jürgen Book, „das Lösungsmittel ist dabei aus technologischer Sicht das Unwichtigste, denn das ist nach der Trocknung weg. Entscheidend ist, was auf dem Fahrzeug bleibt und da ist das Lackharz der dominante Technologieträger“.
„Wasserlacke eignen sich ganz gut für Oldtimer, denn sie lassen den Untergrund nicht aufquellen“, ergänzt Dr. Hawat. Damit lassen sich auch kleine Bereiche reparieren und es bleibt möglichst viel vom Originallack erhalten. Qualitäts-Lackierverfahren erlauben dabei die Anpassung an gealterte Lackierungen.
Das Wissen um technische Grenzen bei der handwerklichen Lackierung ist wichtig. Wird’s richtig gemacht, sieht man schon aus geringer Entfernung keinen Unterschied zwischen alt und neu.