Jung und Alt am Steuer


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„Ich kenne keine alten und jungen Spieler. Ich kenne nur gute und schlechte.“ Lässt sich das Bonmot des legendären Fußballtrainers Otto Rehhagel auf den Straßenverkehr übertragen? Denn 80-Jährige (oder noch ältere Damen und Herren) dürfen zwar aufgrund einer Prüfung, die sie meist vor mehr als einem halben Jahrhundert einmal bestanden haben, noch ein Fahrzeug führen. Zum Ribéry-gleichen Flügelsolo oder ähnlicher Virtuosität dürfte es in dieser Lebensphase nur noch in den seltensten Fällen reichen.

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Unter dem Titel „Jung und Alt am Steuer“ diskutierte der DVR in einem Presseseminar Themen wie: Wird der Mensch mit zunehmendem Alter eine schleichende Gefahr für sich selbst und/oder für andere, wenn er sich noch aktiv an der Ausübung persönlicher Mobilität beteiligt? Das bedeutet nicht nur Autofahren, sondern gilt auch für Motorrad, Fahrrad – und den Fußgänger!

Es ist schon ein Definitionsproblem: Wer ist eigentlich befugt, „Senioren“ zu definieren und dem Substantiv das „G’schmäckle“ der leichten Senilität, der Vergesslichkeit, der Begriffsstutzigkeit im Vorhof des Aussortierungs-Prozesses zu nehmen? In anderen, meist fernöstlichen, Kulturen sind Menschen mit einer Lebenserfahrung von etlichen Jahrzehnten hoch geachtet. Dort wird ihre Erfahrung geschätzt, ihr Wissen gesucht, ihre Weisheit (so denn vorhanden) respektiert. Leider ist dies in unserem sozialen Miteinander zunehmend nicht (mehr) der Fall. Da sind „Senioren“, falls noch unternehmenslustig und -fähig, entweder die neue Zielgruppe der Werbebranche, oder sie sind potenzielle Kandidaten für die Residenz gleichen Namens mit Handlauf, ebenen und breiten Eingängen, und Abstellplätzen für den Rollator.

Irgendwo dazwischen und doch mittendrin, liegt auch der mobile ältere Mensch. Dessen immer häufigeres Erscheinen im Straßenverkehr, so Professor Dr. Wolfgang Fastenmeier von der Psychologischen Hochschule Berlin, werde zunehmend als Problem erkannt. Es wüchsen, so der DVR-Referent, Jahrgänge nach, die mit dem Auto groß geworden und ihr ganzes Leben die Vorteile selbstständiger Pkw-Nutzung gewöhnt seien.

Fastenmeiers vor dem Plenum dargelegte Bilanzen erwecken, gelinde gesagt, nicht gerade Vorfreude auf das Älterwerden: Im Vergleich zu anderen Altersgruppen sei „die Entwicklung der Verkehrsunfallzahlen in den letzten 20 Jahren ungünstig verlaufen“. Dies nicht nur bei älteren Pkw-Insassen, sondern auch insbesondere bei älteren Radfahrern. Zwar, so der Experte, seien sie „als Gruppe nicht häufiger als der Durchschnitt der Autofahrer an Unfällen beteiligt“ und ihre Unfallrate sei „wesentlich geringer als die der jungen Fahrer“. Dennoch wiesen ältere Fahrer „auf individueller Ebene neben dem altersbedingten Abbau körperlicher und psychischer Leistungsfähigkeit nachweislich eine Reihe von zum Teil schwerwiegenden Defiziten im sicheren Fahrverhalten auf“. Liest sich wie die ultimative Aufforderung zum Kehrtmachen vor dem zwangsverordneten Ruhestand.

Ähnliche und typische Verhaltensmuster autofahrender Senioren seien nicht von der Hand zu weisen, behauptet Fastenmeier. Es handele sich dabei vor allem um „Fehler in komplexen Verkehrssituationen wie Kreuzungen.“ Typische Fehler seien demzufolge mangelndes Sichern beim Abbiegen, insbesondere gegenüber Fußgängern und Radfahrern, Vorfahrtsmissachtungen und Spurfehler.“

Welche Schlussfolgerungen also lassen sich aus diesen Erkenntnissen ziehen? Die von ihm angeführten „zweifellos vorhandenen individuellen Auffälligkeiten älterer Fahrer“ rechtfertigen nach Fastenmeier nicht „den Ruf nach altersbezogenen Pflichtuntersuchungen.“ Denn, so sein Conclusio, es gebe „keine seriösen wissenschaftlichen Indikatoren dafür, individuelles Unfallrisiko vorhersagen zu können.“

Der DVR empfiehlt hier auf jeden Fall regelmäßige internistische und augenärztliche Check-Ups. Und einer unwissenschaftlichen, aber nachvollziehbaren und allgemeinsprachlich akzeptierten Aussage kann zumindest nicht völlig widersprochen werden: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ – gilt vielleicht auch für die (auto)mobile Seite des Lebens.

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