KÜS-Mann Heinz Siegert: Champion unter Hammer und Sichel


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Sport auf höchstem Niveau im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat: Das war immer eine Geschichte von bedingungsloser Förderung oder völliger Missachtung durch Staat und der Partei. Wessen Sport nicht taugte, in Duellen mit dem Klassenfeind die Überlegenheit des Sozia- lismus zu propagieren, hatte schlechte Karten. Wie der Leipziger Heinz Siegert dennoch mit Idealismus, Ehrgeiz, Können und Kniffen zu einem der besten Motorsportler der DDR auch auf internationalen Rennstrecken wurde, das erzählte der Kfz-Sachverständige, der mit seiner Frau Beate eine KÜS-Prüfstelle betreibt, uns in einem langen Gespräch.

heinz_siegert2Leipzig, Stadtteil Eutritzsch: ein schmuckes weißes Wohnhaus mit gepflegtem Vorgarten und weit geöffneter Einfahrt zur KÜS-Prüfstelle. Am Straßenrand ein mit Sponsoren-Logos drapierter Bus mit der Aufschrift „Kfz-Sachverständigenbüro“ und „Racingteam“ Siegert. Vor der geöffneten Prüfstelle am Haus ein bunter Rennwagen. „Formel Easter“, wie wir später erfahren. Ein Auto, das eine bedeutende Rolle im Motorsport-Leben des inzwischen 65-jährigen Siegert gespielt hat und immer noch spielt.

heinz_siegert3Hausherrin Beate Siegert öffnet uns mit einem freundlichen „Hallo“ und bald sitzen wir im Wintergarten bei Kaffee und Kuchen. Pokale, („Nur ein Teil davon“), Trophäen, Zeitungsausschnitte, der ganze Wohnraum lässt keinen Zweifel daran: Hier wohnt jemand, der Motorsport nicht nur betrieben, sondern auch großen Erfolg damit gehabt hat.

Wir bitten Heinz Siegert, uns von seinen Rennfahrer-Jahren in der DDR zu erzählen. Schon nach wenigen Minuten registrieren wir, dass Autorennen unter den Voraussetzungen, die der sozialistische Arbeiter- und Bauernstaat bot, neben fahrerischem Können und technischem Fachwissen viel Pioniergeist, Erfindungsreichtum, aber auch Mut und Anpassungsvermögen erforderte.

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Siegert erzählt von den Rennen auf dem Sachsenring, als die Strecke noch mitten durch Hohenstein-Ernstthal führte und 100.000 Zuschauer den Streckenrand bevölkerten. „Das waren alles gestandene Männer, die teilweise schon um die 40 Jahre alt waren. Die fuhren ja in ihren eigenen Autos. Man musste, um Motorsport zu betreiben, an einen Motorsportclub angeschlossen sein. Über die DDR-Dachorganisation, den ADMV waren die Autos zwar versichert, aber die Grundlage musste jeder Pilot sich selbst schaffen.

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So auch der junge Heinz Siegert, der vor den Toren Leipzigs auf dem heutigen Red-Bull-Gelände begann. Sein Freund Heiner Lindner, der schon Rennsiege auf dem Sachsenring vorweisen konnte, besorgte Siegert den ersten Melkus-Rennwagen. „Wir waren mit viel Herzblut dabei, aber wir mussten mit der Mängelwirtschaft leben“. Viel Improvisation, aber auch Zusammenhalt der Fahrer und die Unterstützung einiger Industriezweige machten es möglich, Motorsport zu betreiben. So wurde Siegert von einer chemischen Fabrik für Kunstsoff, der „Buna“ protegiert. Deren Motto „Plaste und Elaste aus Schkopau“ prangte auf der Karosse seines MT77-Rennwagens.

Wenn der Kfz-Meister ins Erzählen kommt, merkt man ihm heute noch die Begeisterung, das Feuer für diesen Sport an und man glaubt es ihm aufs Wort, wenn er sagt: „Ich liebe das Risiko.“ DDR-Konstrukteure mussten wahre Erfinder sein, sich mit Teilen aus Beziehungen untereinander behelfen.

Dahinter steckten Pioniergeist und jede Menge Fachwissen.

heinz_siegert6Siegert brauchte nur wenige Jahre, um sich für die DDR-Nationalmannschaft zu qualifizieren. Seit Beginn der 1980er gehörte er zur Stammformation der Pokalmannschaft. Das Geld von der Buna ermöglichte ihm auch die Teilnahme an den Läufen zum „Pokal für Frieden und Freundschaft“, der in den Ostblock-Ländern ausgefahren wurde. Russen und Tschechen dominierten dort, auch weil sie staatliche Förderung genossen.

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Ein Kommentar

  1. Wenn Sie mehr über Heinz Siegert und den Rennsport im Osten wissen möchten, schauen Sie doch mal in die Webseite http://www.ddr-formel1.de rein. Sie werden überrascht sein und die Begründung finden, warum Heinz Siegert ein solch exzellenter Rennfahrer war und was ihn geprägt hat – „Geht nicht, gibt’s nicht!“.
    Ihnen und insbesondere Heinz Siegert ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr.
    Ihr Jürgen Meißner