Leichtlaufreifen im Trend


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Reifen mit optimiertem Rollwiderstand, sogenannte Leichtlauf- oder Spritsparreifen, senken den Verbrauch und die Schadstoffemissionen. Wenn günstige Kraftstoffverbrauchswerte in der Prioritätenliste der Fahrzeugentwickler aufrücken oder gar einen Spitzenplatz einnehmen, lässt der Ruf nach Reifen mit reduziertem Rollwiderstand nicht lange auf sich warten, an seiner Realisierung wird intensiv gearbeitet.

F 700 2007

Zahlreiche Pkw-Modelle lassen sich inzwischen mit einem entsprechenden Reifentyp ordern oder sind serienmäßig damit ausgerüstet. Insbesondere aber die jüngst vorgestellten verbrauchsarmen Fahrzeuge – etwa VW BlueMotion – kommen ohne diese Reifenspezies nicht aus. Tatsächlich erreicht der Anteil der vier Autoreifen am gesamten Kraftstoffkonsum rund 25 Prozent, ein überaus interessantes Sparpotenzial, das zu fördern den Reifenfachleuten freilich einige Probleme bereitet. Bei einer Goodyear-Untersuchung mit nur fünf Sommerreifen-Fabrikaten ergab sich eine Differenz im Rollwiderstand von 42 Prozent (bester und schlechtester Wert).

Was ist Rollwiderstand? Der luftgefüllte Reifen sinkt in der Aufstandsfläche – abhängig von Konstruktion, Fülldruck und Fahrzeuggewicht – mehr oder weniger ein (10-15 Prozent). Seitenwände und der Laufstreifen müssen sich in diesem Bereich verformen, die wesentlichen Ursachen für Rollwiderstand. Beim Abrollen wird die Verformungsenergie in nutzlose, im Extremfall sogar schädliche Wärme oder Hitze umgewandelt, die zum Defekt führen kann. Optimierungspotenzial für die Reduzierung des Rollwiderstandes bieten sich vor allem bei der Profilgestaltung, der Laufstreifen-Auslegung und den Gummimischungen. Materialeinsparungen sind zudem wichtig, je weniger zu verformen ist, desto geringer der Energieverlust.

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Dem Optimierungsprozess für das Kriterium Rollwiderstand freilich sind auf Grund der unvermeidlichen Zielkonflikte recht deutliche Grenzen gesetzt. So wäre zwar ein möglichst geschlossenes Profildesign hilfreich, aber damit sind die Aquaplaningeigenschaften stark tangiert. Deutliche Vorteile für den Rollwiderstand allerdings sind über die Gummimischung des Laufstreifens zu erzielen, diese Auslegung freilich konkurriert ganz erheblich mit den Nässeeigenschaften des Reifens (Bremswege, Fahrverhalten) und ist damit sicherheitsrelevant. «Dieser markante Zielkonflikt lässt sich nicht auflösen», weiß Dr. Holger Lange, Reifenentwickler bei Continental, «sondern nur in einem sorgfältig abgestimmten Gesamtpaket im Niveau anheben».

Die Mehrzahl der rollwiderstandsarmen Reifen steht in den braven Standardgrößen zur Verfügung. Beispielsweise beim Polo BlueMotion in 165/70 R 14 T, beim Golf in 195/65 R 15, beim Passat und bei den Audi-Modellen A3e sowie A4e in 205/55 R 16 H (bis 210 km/h). Ausgesprochen füllige Formate im oberen Geschwindigkeitsbereich (V/W/Y) sind auf Grund der hohen Anforderungen an Performance und Highspeed-Tauglichkeit schwieriger zu realisieren, die Reduzierung fällt denn auch gegenüber konventionellen Reifen weniger drastisch aus. Wenn Rollwiderstand weiter in den Vordergrund rückt, und danach sieht es derzeit sehr stark aus, dann müssen sich auch die Reifendimensionen in Richtung schmal ändern. Der ideale Leichtlaufreifen mit hohem Spritsparpotenzial ist schmal und hat einen großen Durchmesser. Das auf der IAA vorgestellte Mercedes-Konzeptfahrzeug F 700 immerhin geht mit seinen Leichtlaufreifen in diese Richtung: Obwohl der F 700 das Format der S-Klasse erreicht, verfügt er über die in der Breite bescheidene Reifendimension 195/55, aber mit 21 Zoll Durchmesser. Goodyear hat bei Messungen nachgewiesen, dass allein der Zuwachs im Raddurchmesser von einem Zoll (16 statt 15 Zoll) bei gegebener Reifenbreite den Rollwiderstand um sechs Prozent absenken kann.

Volkswagen Antriebe ? heute, morgen und uebermorgen

Derzeit liegen die Reduzierungseffekte beim Rollwiderstand von Leichtlaufreifen gegenüber vergleichbaren Standardprodukten nach Angaben der Premiumhersteller Bridgestone, Conti und Michelin bei etwa sechs bis zwanzig Prozent. Für die nächsten Jahre erwartet Conti-Spezialist Holger Lange weitere zehn Prozent Reduktion (die zumindest auf dem Ersatzmarkt noch vertretenen Billigreifen mit veralteten Rußmischungen indes liegen mit ihrem Rollwiderstand um 30 Prozent höher). Einerseits bedient sich nahezu jeder Automobilhersteller rollwiderstandsarmer Reifen, zumindest bei den jetzt so aktuellen Spritsparmodellen, andererseits werden den Reifenentwicklern durchaus unterschiedliche Anforderungen ins Lastenheft geschrieben. So legt man bei Mercedes-Benz Wert auf die Feststellung: «Eine Entwicklung von Reifen mit einem Fokus nur auf Rollwiderstand gibt es bei uns nicht». Aber: «Grundsätzlich werden alle unseren Reifendimensionen und aus Gründen des Flottenverbrauchs auch alle unsere Baureihen mit rollwiderstandsverbesserten Reifen ausgerüstet. Der Fokus liegt natürlich auf den Varianten mit größtem Volumeneffekt.»

Druck

Zielkonflikt bei Laufflächenmischungen (Magisches Dreieck)
Abhängigkeit: Die Performance des Rollwiderstandes tangiert ein sicherheitsrelevantes Kriterium.

Bei BMW dagegen enthalten die Händler-Listen aller freigegebenen Reifendimensionen und -fabrikate auch den Hinweis, welche rollwiderstandsarmen Reifen verbaut werden. Wobei es sich hier um Runflats handelt, eine Reifenkategorie, die sich bislang eigentlich nicht mit exzellenten Rollwiderstandswerten ausgezeichnet hat. Beim 5er beispielsweise sind in 225/55 R 16 95 V/W insgesamt vier Freigaben vorhanden, als Leichtlaufreifen ist der Conti PremiumContact aufgeführt. Beim 3er-Modell steht in 205/55 R 16 91 H/V/W der Bridgestone Turanza ER 300 I zur Verfügung und in 225/45 R 17 91 V/W der Dunlop SP Sport 01A ROF. Weitere Freigaben mit reduziertem Rollwiderstand haben Michelin und Goodyear. Bei den Winterspezialisten sieht es mau aus, keiner wird explizit als Leichtlaufreifen angeboten. Es scheint so, als hätte die Reifenindustrie generell das Spritspar-Merkmal bei Winterreifen bislang vernachlässigt, obwohl «konstruktiv von ähnlichen Voraussetzungen auszugehen ist, wie beim Sommerreifen» (Holger Lange). Eine offensichtliche Marktlücke, die auf Grund der aktuellen CO2-Diskussion und sicherlich auf Wunsch der Autohersteller in absehbarer Zeit geschlossen werden dürfte.

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Anteile am Rollwiderstand
Energieverlust: Rollwiderstand entsteht vor allem im Laufstreifen, korrekter Fülldruck ist wichtig.

Da könnte vielleicht auch die in den zuständigen EU-Gremien diskutierte Verordnung zum Thema Reifenrollwiderstand Betriebsamkeit auslösen. Offenbar von Michelin angestoßen, wird konkret über die Einteilung der Reifen in verschiedene Rollwiderstandsklassen nachgedacht, die auf der Seitenwand vermerkt werden. Ein Hilfsmittel bei der Kaufentscheidung für den Verbraucher, ähnlich wie bei Kühlschränken. Allerdings haben Fachleute darauf hingewiesen, dass die alleinige Markierung des Rollwiderstandes und damit die Verbrauchsrelevanz nur die eine Seite der Medaille sein kann. Immerhin könnte sich der eine oder andere «Billigheimer» veranlasst sehen, das konstruktive Potenzial für den Rollwiderstand voll auszunutzen, ohne Rücksicht auf dramatische Verluste der Fahrsicherheit bei Nässe. Um diesem berechtigten Einwand zu begegnen, soll zusätzlich eine Bewertung der Bremseigenschaften bei Nässe mit entsprechender Kennzeichnung der Reifen eingeführt werden. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang allerdings ein wichtiger Hinweis an jeden Kunden: Die konstruktiven Vorteile von Leichtlaufreifen sind nur bei korrektem Fülldruck wirksam!

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Anteile am Rollwiderstand
Unten: Highspeed-Momentaufnahme: Der Rollwiderstand durch Reifenverformung wird gewissermaßen sichtbar.

Reifen mit reduziertem Rollwiderstand sind für alle Autofahrer interessant, die angesichts steigender Spritpreise ernsthaft den Verbrauch reduzieren wollen. Ganz nebenbei wird dabei auch die CO2-Emission vermindert. Die Hersteller offerieren meist eine Reifenlinie mit reduziertem Rollwiderstand, wie beispielsweise Conti EcoContact, Dunlop SP 30, Barum Brillantis, Fulda EcoControl, Hankook Optimo, Maloya Crono, Semperit Comfort Life. Damit sind von der Premiummarke bis zum Low-Budget-Reifen alle Preisklassen vertreten. Michelin bringt derzeit ein neues Produkt seiner sogenannten «Grünen Reifen» auf den Ersatzmarkt, die vierte Generation seit Anfang der 90er-Jahre. Serienmäßig verbaut wird der Energy Saver bereits beim neuen Peugeot 308. Der Nachfolger des bisherigen Energy E3A wurde deutlich im Gewicht reduziert und verfügt laut Michelin über eine bessere Nässehaftung sowie eine vergleichbare Laufleistung. Vor allem aber liegt der Rollwiderstand fünf bis acht Prozent (je nach Dimension) unter dem des Vorgängers und ist gar bis zu 30 Prozent besser als bei der ersten Generation. Der Michelin Energy Saver wird auf der IAA offiziell vorgestellt und ist in den wichtigen Größen und Ausführungen lieferbar, von 155/65 R 14 T (190 km/h) bis 215/55 R 16 V (240 km/h).
Wenn alle Pkw und Lkw in Europa mit rollwiderstandsarmen Leichtlaufreifen ausgerüstet wären, so hat Michelin errechnet, «würden jährlich 4,5 Milliarden Liter Diesel und 1,5 Milliarden Liter Benzin eingespart. Es käme darüber hinaus zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um 15 Millionen Tonnen.»

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