Wie eine Multimillionärin ihre Heimatinsel Fogo mit einem gemeinnützigen Luxushotel zur Touristenattraktion macht
Noch bis in die 1960er-Jahre lebten dort 6.000 Bewohner. Die Nachfahren englischer und irischer Fischer verdienten ihr Geld mit dem Kabeljaufang. Doch vor 50 Jahren war die See leer gefischt. Immer mehr Familien waren auf Sozialhilfe angewiesen, die Menschen auf Fogo verarmten. Von der Regierung gab es Umsiedlungsprämien. Auch die Cobbs mit ihren sieben Kindern zogen weg aus dem Dorf Joe Batt’s Arm. Nach acht Generationen als Fischer war für die Cobbs Schluss auf der Insel. Die Familie suchte in der kanadischen Provinz Ontario ihr neues Lebensglück.
Lebensglück – ein zutreffendes Stichwort für die damals 16 Jahre alte Tochter der Cobbs. Zita Cobb studiert Wirtschaftswissen-
schaften, macht Karriere in der Ölindustrie, wird 1999 Finanzvorstand des Glasfaser-optikunternehmens JDS Fitel und gilt 2000 als eine der drei bestbezahlten Topmanagerinnen Nordamerikas. Im Jahr darauf, im Alter von 43, löst sie ihren Vertrag auf. Sie lässt sich ihre Aktienoptionen von weit mehr als 50 Millionen Dollar auszahlen und segelt zunächst rund um die Welt. Dann kehrt sie zurück nach Fogo. „Sie hätte sich in die Karibik zurückziehen können, mit dem Privatjet reisen können“, sagt Clemens Dywer.
Doch das alles interessiert die Multimillionärin nicht. Ihre Mission stattdessen: Hilfe durch neue Arbeitsplätze auf der Insel, abseits der traditionellen Fischerei. „Auf diese Weise kann die weitere Abwanderung der 2.500 Bewohner gestoppt und die wirtschaftliche und kulturelle Verödung aufgehalten werden“, so Zita Cobb.
Für Fogo Island findet Cobb die Lösung, in dem sie Natur und Kultur miteinander verbindet: „Beides muss bewahrt werden durch verantwortungsbewusstes Unternehmertum und mit modernen Technologien.“ Schritt für Schritt geht die Heimkehrerin vor: Zunächst gründet sie mit ihrem Bruder Anthony und Bewohnern der Insel die gemeinnützige Stiftung, die Kleinkredite an Existenzgründer auf Fogo vergibt. Zita Cobb: „Wir folgen dem Konzept des bengalesischen Wirtschaftswissenschaftlers Muhammad Yunus, der für seine Idee der Mikrokredite im Jahr 2006 mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde.“
Das wichtigste Kapitel in Fogos Erfolgsstory beginnt jedoch mit dem Luxushotel Fogo Island Inn, das im Frühjahr 2013 eröffnet wird. Wie ein UFO schwebt die minimalistische Holz- und Stahlkonstruktion über den Felsen am Rand von Joe Batt’s Arm. Ein Fremdkörper, geplant von dem kanadisch-norwegischen Architekten Todd Saunders? Wer länger hinschaut, bemerkt die Anlehnung des Hotels an die heimische Bauweise: Ein Teil steht, wie Fogos bunte Fischerhütten, auf Stelzen.
Als Zita Cobb 2006 ihre Idee eines Luxushotels den Inselleuten präsentiert, reagieren diese zunächst skeptisch: Würden überhaupt Touristen den Weg auf die Insel finden, wo nur Natur ist? Mit dem winzigen Hafen mit dem bezeichnenden Namen Farewell, was man auch locker mit „…und Tschüss“ übersetzen könnte?
Doch dann wird gebaut, mit der Beteiligung der Insulaner. Hunderte finden während der Bauperiode Arbeit – die Männer als Schreiner und Schlosser. Zita Cobb lässt Designer auf die Insel kommen. Sie besprechen mit Fogos Hausfrauen die Entwürfe für Tischwäsche, Tagesdecken, Kissen und Bettvorleger des Hotels. Vieles wird dann von den Frauen gefertigt.
Neben dem Hotel belebt Cobb die Insel mit Künstlern. Architekt Saunders baut vier futuristische Ateliers in die karge Landschaft. Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Fotografen können dort mit Unterstützung der Shorefast-Stiftung einige Wochen arbeiten. „Zeitgenössische Kunst hat für Zita einen wichtigen Platz“, sagt Nicolaus Schafhausen. Der gebürtige Düsseldorfer ist Direktor der Kunsthalle Wien und kommt ein paar Mal im Jahr nach Fogo, um die Bewerbungen der Kreativen für ein Stipendium zu sichten: „900 waren es im Jahr 2015.“
Und das Fünf-Sterne-Luxushotel Fogo Island Inn? Die 29 lichtdurchfluteten Zimmer und Suiten sind gefragt – die meisten Gäste reisen aus Toronto, Ottawaund New York an. Ab etwa 550 Euro kostet die Nacht pro Person; Drei-Gänge-Menüs mittags und abends auf Sterne-Niveau, Softdrinks, Shuttleservice und die Inseltour mit den Inselkennern wie Clemens Dwyer sind im Preis enthalten. Der Blick vom Hotelbett auf die Eisberge ohnehin unbezahlbar.
100 direkte Arbeitsplätze sind durch das Hotel für die Insulaner entstanden, der Gewinn der gemeinnützigen Luxusherberge kommt der Shorefast-Stiftung für weitere Mikrokredite zu Gute. Clemens Dwyer, der vor knapp 70 Jahren auf Fogo geboren wurde, resümiert: „Früher waren wir ein weißer Fleck auf dem Globus, heute kommt die halbe Welt zu uns.“