Mit dem Ranger durch Fraser Island


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In Millionen von Jahren hat die Natur die weltweit größte Sandinsel geformt. Heute zählt das UNESCO Weltnaturerbe vor der Ostküste Australiens zu den Attraktionen von Queensland. Höhepunkt ist dabei ein Geländewagen-Trip über die schnurgeraden, sandigen Pisten des Seventy-Five-Mile-Beaches.

4-W-Drive- Konvoi auf der Sandpiste_rwg#150BWenn Karl Ockinga den Motor seines Katamarans abschaltet, wird es spannend. Auf dem Weg von Harvey Bay nach Kingfisher Bay auf Fraser Island kennt der drahtige Skipper die Stellen ganz genau, wo sich die Buckelwale, Delphine und Wasserschildkröten tummeln. Manchmal kämen die Muttertiere der Wale sogar bis ans Boot, erzählt Karl. Wer Glück hat, könne so einen Wal sogar streicheln. Wir haben kein Glück. Allenfalls eine Schwanzflosse taucht hier und da auf. Am besten kann man die munteren Meeressäuger zwischen August und November beobachten, wenn sie zu Tausenden in den geschützten Revieren zwischen Harvey Bay und Fraser Island ihre Jungen aufpäppeln, bevor sie sich zu ihrer beschwerlichen Reise in die Antarktis aufmachen.

Ganz beschaulich schaukeln wir unserem Ziel entgegen. Karl hat eine Karte aufgefaltet und deutet auf Fraser Island, die riesige, vor Millionen Jahren entstandene Sandinsel vor der Küste von Queensland im südpazifischen Ozean. Heftiger Wind und hohe Wellen haben im Lauf der Zeit Unmengen von Sand entlang der Küste nach Norden in den Bereich des heutigen Harvey Bay geschoben. Während der letzten Eiszeit sank der Meeresspiegel. Die Sandflächen trockneten und wurden vom Wind zu großen Dünen aufgehäuft. Dann stieg der Meeresspiegel erneut an und nur die Spitzen der Sanddünen ragten noch aus dem Wasser. Die waren so gewaltig, dass sie als größte Sandinsel der Welt bekannt wurden. Angestrengt lauscht man dem Skipper. Während man bisher glaubte, recht sprachsicher zu sein, verliert man bei der australischen Umgangssprache schnell den Faden. Als ein merkwürdiges Labyrinth kommen die Wörter daher, die sich aus der Sprache der ersten Siedler, der Sträflinge aus London, die im späten 18. Jahrhundert nach Brisbane verfrachtet wurden, ableiten und mit Lauten der Ureinwohner vermischen.

Schon vom Kingfisher Bay-Pier sind die kleinen, dem Regenwald perfekt angepassten Gästehäuser des Kingfisher Bay Resort gut sichtbar. Von Weitem wirken die «Queensländer», die in ureigener australischer Architektur auf Stelzen gebauten und mit Veranda ausgestatteten Häuschen, eher bescheiden. Doch dann überrascht der Komfort, den unser Ausgangspunkt zur Erkundung der wildromantischen Insel bietet. Ganz anders gestaltete sich die Ankunft der Eliza Fraser, als sie 1836 als Schiffbrüchige auf der Insel strandete. Butchullas, der Aboriginestamm der Insel, nahmen die Gestrandete gefangen. So jedenfalls hatte es die Engländerin in ihren Memoiren dargestellt. Erst nach Monaten sei sie von einem entflohenen Sträfling befreit worden. Dagegen erzählten die Stammesältesten der Butchulla, dass ihre Frauen die Fremde gerettet und umsorgt hätten, bis sie wieder zu Kräften gekommen sei. Trotz der Widersprüchlichkeit wurde die Geschichte der Eliza Fraser so berühmt, dass die einzigartige Insel seither «Fraser Island» heißt.

Wie aus Eimern hatte es in den frühen Morgenstunden auf der Insel geschüttet. Im Regenwald dampft es. Craig hat die Klimaanlage seines Inselrundfahrtbusses auf höchste Stufe geschaltet. Über schmale Wege und dicke Wurzeln lenkt der Ranger die 280 PS starke MAN-Zugmaschine mit angeschlossenem Fahrgastraum. Vierradantrieb ist aufder Insel für alle Fahrzeuge ein Muss. Dennoch geht es mit höchstens 30 km/h zwischen den Baumriesen mal mit beachtlichem Gefälle abwärts, dann wieder hinauf. Die Sicherheitsgurte liegen straff an. Vom bequemen Sitz aus sieht man die gewaltigen Stämme der Eukalyptus- und unzähliger anderer Baumarten des wildromantischen Regenwaldes. Kaum zu glauben, dass die bis zu 60 Meter hohen Riesen und überhaupt die vielfältige Vegetation auf dem nährstoffarmen Dünensand derart üppig gedeiht. Die Kräuter und Gewürze, Beeren und Macadamia-Nüsse aus den Wäldern, von jeher Bestandteile der Aborigine-Nahrung, kultivieren inzwischen auch die besseren Restaurants in ihren Küchen.

Bedrohlich wurde es für die Ureinwohner der Insel, als die Engländer einst die wertvollen Hölzer entdeckt hatten. Gnadenlos wurden die Butchullas von den raffgierigen Eindringlingen vertrieben, die es vor allem auf die endemische Satinay abgesehen hatten, deren widerstandsfähiges Holz sich zum Bau von Schiffen bestens eignete. Neben dem Raubbau an den Wäldern, wurden Schwermineralien aus den Sanden gewonnen, was in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts zu heftigen ökologischen Auseinandersetzungen führte und in der Ernennung zum «Weltnaturerbe der Menschheit» im Jahr 1992 mündete.

Nach abenteuerlicher Geländefahrt haben wir den Strand erreicht. Craig gibt jetzt Gas und donnert über die zunächst einsame, schnurgerade Sandpiste. 80 km/h gilt hier als Geschwindigkeitsbegrenzung. «Alles, was darüber ist, kann gefährlich werden», betont der erfahrene Inselranger. Einige spektakuläre Unfälle habe es in diesem Jahr bereits gegeben, weil sich mancher Strand-Cruiser überschätze. Bei Ebbe sind die Strände zwar breit, doch die Gefahren lauern in den plötzlichen Untiefen im Sand. Hohe Geschwindigkeit und zu hoher Reifendruck werfen das Fahrzeug sofort aus der Bahn, mit vernichtendem Ausgang. Dabei wirkt der Trip über den traumhaften Seventy Five Mile Beach harmlos und überaus vergnüglich. Wie mit dem Lineal gezogen nimmt die Strandpiste nahezu die gesamte Ostküste der 120 km langen und 15 km breiten Sandinsel ein.

Nach einigen Kilometern erreichen wir Eli Creek. Wie in einem Ferienzentrum tummeln sich um den glasklaren, schnellen Wasserlauf, der sich seinen Weg vom Regenwald zum Meer bahnt, Dutzende von Touristen. Alle scheinen nur einen Gedanken zu haben: Raus aus dem Fahrzeug und hinein in das erfrischende Nass, denn

in den Küstengewässern, wo es vor Delphinen und Dugongs, Haien und Walen wimmelt, ist an Badevergnügen nicht zu denken.

Zwei Kilometer weiter, wo das Wrack des einstigen Passagierschiffs Maheno, das 1935 von einem Wirbelsturm an Land gespült wurde, vor sich hinrostet, stehen zwei Kleinflugzeuge für Inselrundflüge bereit. Begleitet vom Lärm der Propeller kreist Pilot Michael über dichte Wälder und Seen. Ganze 42 Gewässer haben zwischen den Dünen ihre teilweise bizarren Becken geformt. Nach sanfter Landung auf der Sandpiste geht es per Geländewagen weiter. Vorbei an den eindrucksvollen Pinnacles, den durch Erosion geformten, farbigen Sandklippen, steuert Craig das Ranger-Zentrum mitten auf der Insel an. Nach einem kurzen Picknick packen wir am nahe gelegenen McKenzie-See die Badesachen aus. Das kristallklare Wasser mit seinem hohen ph-Wert von 4.8 wirkt wohltuend. Auf dem feinen, weißen Sandstrand, der den Süßwassersee umgibt, liegt Handtuch an Handtuch. Hier wird der jährliche Ansturm von 350.000 Besuchern augenscheinlich. Die scheuen Dingos, vor denen auf Hinweisschildern ausdrücklich gewarnt wird, lassen sich nicht blicken. Dennoch müsse man sich vor den angriffslustigen Wildhunden in Acht nehmen, hatte Craig zu verstehen gegeben.

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Kingfisher Bay Resort

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Lake McKenzie

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Gestrandeter Luxusliner

Bevor die Ebbe der Flut weicht, treten wir den Rückweg an. Am späten Nachmittag zeigt sich die Strandpiste schon erheblich schmäler. Der Ranger muss seinen Island-Explorer über holprige Streckenabschnitte navigieren. Als wir durchgerüttelt am Kingfisher Bay Resort eintreffen, geht die Sonne schon langsam unter. Am Pier haben einige Fischer ihre Angeln ausgeworfen und hoffen, dass etwas anbeißt. Unterdessen sinkt der Feuerball immer schneller und färbt den Abendhimmel über «K’Gari», also dem Paradies, wie die Butchulla ihre Insel nennen, in eine Palette unbeschreiblich schöner, ständig wechselnder Farben.

Weitere Informationen

Tourism Queensland
81475 München
Tel.: 089–759 69 88 29

Queensland erstreckt sich über 2.500 km entlang der Ostküste Australiens. Hauptstadt ist Brisbane.

Ortszeit

Im Sommer 9 Stunden später als in Mitteleuropa, im Winter 8 Stunden.

Klima

Im Norden Queenslands herrscht tropisches, im Süden subtropisches Klima. Die Jahreszeiten sind denen Europas genau entgegen gesetzt: Winter: Juni bis August, 23 bis 29 Grad, Sommer: September bis Mai, 28 bis 31 Grad.

Beste Reisezeit

April bis Oktober

Währung

Australische Dollar. Ein Euro entspricht etwa 1,60 AUD.

Anreise

Nonstop-Flüge von Deutschland nach Australien gibt es nicht. Mit Zwischenstopp in Singapur fliegen Qantas und Singapore Airlines.
Zur Einreise benötigt man ein Visum.

Literatur

Lonely Planet Reiseführer «Australien Ostküste», Deutsche Ausgabe, Mairdumont; 22,95 Euro

ZWINGEND Buchcover

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