Und nicht nur das, Mercedes ist stolz auf die weltweite Erprobung „unter härtesten Bedingungen“. Mehr als 60 Millionen Kilometer hätten die Motoren bisher im Dauerversuch auf Prüfständen sowie im praktischen Fahrbetrieb für alle Emissionsklassen zurückgelegt. Im Fahrversuch hätten die Antriebe alle denkbaren klimatischen Zonen vom Polarkreis bis nach Südafrika kennengelernt.
Außerdem arbeiten in Nordamerika und Japan inzwischen mehr als 70.000 Motoren in den schweren Nutzfahrzeugen von Freightliner und Fuso, die auch zum Daimler-Konzern gehören. Hier sind Antriebe der neuen Generation – wenn auch in einer spezifischen Auslegung für die jeweilige Region – bereits seit 2007 (Nordamerika) und 2010 (Japan) im täglichen Kundeneinsatz, da in diesen Ländern besonders scharfe Abgasregelungen greifen – der OM 47x ist eben ein echter Globetrotter. Im Mittelpunkt der Blue-Efficiency-Power-Motorengeneration steht der OM 471 mit 12,8 l Hubraum. Er ist in Leistungsstufen mit 412, 449 und 510 PS zu haben, entweder in Euro-5- oder schon in Euro-6-Ausführung.
Er deckt mit maximalen Drehmomenten zwischen 2.100 und 2.500 Nm die gängigsten Anforderungen ab. Die neuen Motoren werden wie ihre Vorgänger in Mannheim produziert, wo ebenfalls wesentliche Komponenten für Detroit Diesel, sowie die kompletten Motoren für Fuso vom Band laufen. Das Plattformkonzept bedeutet eine identische Grundkonstruktion, die sich durch unterschiedliche abgasspezifische Komponenten sowie auch markt- und kundenspezifische regionale Applikationen und unterschiedliche Zusatzaggregate unterscheidet. Insgesamt differieren die Motoren in mehr als 200 Teilen von den Antrieben in Nordamerika oder Japan.
Der OM 471 ist mit einer Kombination von Abgasrückführung, SCR Katalysator und Partikelfilter zur Verringerung der Emissionen auf die Anforderungen der Europäischen Abgasstufe Euro VI und die spezifischen Kundenanforderungen in Europa zugeschnitten. Die Konstruktion basiert auf sechs Zylindern in Reihe in stehender Bauweise. Diese Plattform verspricht einen ruhigen Motorlauf. Mit einer Bohrung von 132 mm und einem Hub von 156 mm ist der 471 zugunsten hoher Durchzugskraft langhubig ausgelegt.
Der einteilige Zylinderkopf wird aus Grauguss mit Vermiculargraphit (GGV) hergestellt. Dieses Material verfügt über gute Temperaturwechselfestigkeit sowie Dämpfungseigenschaften und dehnt sich bei hohen Temperaturen nur minimal aus. Es ist außerdem hochstabil und auf die hohen Zünddrücke von über 200 bar ausgelegt. Die geregelte Kühlwasserpumpe arbeitet zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs bedarfsgerecht. Sowohl sie als auch der Lüfter gehören zu den zahlreichen Komponenten, die speziell für den OM 471 entwickelt wurden. Die beiden Nockenwellen steuern über reibungsarme, gleitgelagerte Kipphebel jeweils zwei senkrecht im Zylinderkopf angeordnete Einlass- und Auslassventile. Die Nockenwellen sind nicht aus dem vollen Material gefräst sondern gebaut und basieren auf einer aus Gewichtsgründen hohlen Welle.
Das Common-Rail-System mit Druckverstärkung X-Pulse verstärkt den Druck in den einzelnen Injektoren auf bis zu 2.100 bar. X-Pulse ist im Motorkennfeld variabel und wird fortlaufend an die aktuellen Betriebsbedingungen angepasst. Die Steuerung von Einspritzzeitpunkt, -menge, -verlauf, -anzahl und -druck erfolgt für jeden einzelnen Injektor individuell über das Motorsteuergerät.
High-Tech, wohin das Auge blickt, doch stellt sich dem Flaggschiff OM 471 in der eigenen Baureihe ein Konkurrent entgegen. Der kleine Bruder OM 470. Er knausert mit dem Hubraum, weil schon alleine Downsizing Diesel spart. Aus 10,6 Litern generiert der Antrieb in vier Leistungsstufen dennoch 326 bis 428 PS. Die stärkste Variante könnte die OM-471-12,8-Liter-Maschine in den Leistungsstufen 412 und 449 PS verdrängen, die das stückzahlträchtigste Segment abdecken. Das liegt nun mal zwischen 400 und 440 PS. Denn da macht der kleine Antrieb auf Anhieb vieles besser. Er ist 160 Kilogramm leichter. Er mobilisiert das maximale Drehmoment von 2.100 Nm schon bei 900 statt bei 1.000 U/min und bringt bei 1.400 U/min 415 Pferde auf Trab, der OM 471 aber nur 405. Dementsprechend soll der 470er bei den Unternehmern mit niedrigem Kraftstoffverbrauch Freunde finden.
Mercedes spricht trotz Euro 6 von einer Reduktion. Und dass dieses Argument zieht, zeigt nicht nur ein Blick auf die Spritpreissäule. Speditionen kalkulieren den Ertrag mit rund drei Prozent. Da zählt in der Bilanz jeder Liter.