«Rahn müsste schießen» – dieser legendäre Satz aus dem Fußball-WM-Endspiel 1954 in Bern steht an einer Brücke über die A40 in Essen. Helmut Rahn, der erstmals Deutschland zum Fußball-Weltmeister machte, ist Essener und Essen war 2010 Kulturhauptstadt Europas. Das setzt finanzielle Mittel frei, und so heißt es konsequent an den nächsten beiden Brücken «Rahn schießt …» und «Toooor! Toooor! Toooor!»
Inzwischen gibt es an den Autobahnen zwischen Rhein und Weser eine Reihe von Objekten, die die Aufmerksamkeit steigern, ohne vom Verkehrsgeschehen abzulenken. Ebenfalls an der A40 bei Wattenscheid sind 800 Meter Lärmschutzwand mit farbigen, senkrechten Strichen – wie ein Barcode –verschönert. Das Besondere daran: Die hundert, jeweils acht Meter breiten Stücke wurden von Bürgern entworfen. Das schafft Identität mit «meiner» Autobahn. Und im Internet ist unter www.barcode-a40.de nachzulesen, was sich die einzelnen Künstler dabei gedacht haben.
Im Autobahnkreuz Kaiserberg bei Duisburg standen 2008 in den sogenannten Ohren 450 orangene Liegestühle – jeder mit dem Namen eines Urlaubsortes. «Leider nur für drei Wochen», sagt Michael Heinze, Leitender Ministerialrat im Düsseldorfer Verkehrsministerium. Er ist von der Idee der Denk-anregung für den Autofahrer überzeugt und fördert sie, wo immer es geht. «Jede Art von Abwechslung ist von Übel», sei jahrzehntelang das Credo der Straßenplaner gewesen. Jetzt das Gegenteil zu propagieren, sei in den Behörden sehr schwer: «Da bohren wir ein ganz dickes Brett.»
Einer, der kräftig mitbohrt, ist Thomas Oehler, Leiter der Autobahnniederlassung Hamm. In seinem Bereich gibt es schon seit zehn Jahren Kunst an der Autobahn. Zur Landesgartenschau in Oelde waren 2001 an der A2 sechs auf die Spitze gestellte Würfel – toll gestaltet vom renommierten Künstler Otmar Alt – gegen eingefahrene Denkweisen aufgestellt worden. Als Werbung für eben jene Gartenschau. «Die ursprünglich vorgesehene anschließende Demontage wurde schlicht vergessen», schmunzelt Heinze. «Bis heute hat es wegen der Würfel nicht einen Unfall gegeben», stellt Oehler zufrieden fest, «ja, sie wurden nicht mal als Ausrede genannt, wenn es in dem Bereich gekracht hat.»
Doch wie lassen sich notorisch leere Kassen mit aufwendiger Gestaltung rechts und links der Schnellstraßen verbinden? «Wir von Straßen.NRW zahlen nur das, was wir ohnehin – zum Beispiel für den Lärmschutz – aufgewendet hätten», stellt Oehler klar. Der Rest müsse aus anderen Töpfen kommen. Hier könnte die Wirtschaft einspringen, doch Werbung an Autobahnen ist bis zu einem Abstand von 100 Metern tabu. «Da kommen wir in Gewissenskonflikte», geben Heinze und Oehler zu. Clever und dezent zugleich, können sie aber gut damit leben. So wie mit dem gelben Rettungshubschrauber, der seit wenigen Wochen im Kamener Kreuz – getragen von vier Stahlengeln – steht. Finanziert von einem Automobilclub. Ganz ohne Werbung, aber das ist bei der Farbe Gelb auch nicht nötig.
Als nächste Idee steht die Visualisierung der Nummern von Autobahnabfahrten an – scheitert derzeit aber an der Durchsetzbarkeit, denn es fallen Kosten von rund 15.000 Euro pro Ziffer an. Erst müssen die Schlaglöcher des vergangenen Winters repariert sein. Doch Michael Heinze will weiterbohren: «Macht doch was an der Haustür zu Eurer Stadt», lautet sein Appell an die Kommunen und eventuell deren Unternehmen. Was spricht dagegen, dass demnächst die überdimensionale, farbig gestaltete Abfahrt 75 von der A1 ein Flugzeug ziert, weil es dort zum Flughafen Münster/Osnabrück geht? Oder ein Fußball die Abfahrt 6 von der A2 in Gelsenkirchen-Buer? Na, Sie wissen schon, hier geht’s «auf Schalke».
Ein Kommentar
Ich freue mich immer, wenn ich die Würfel sehe. Da weiß ich – jetzt sind es nur noch knapp zwei Stunden (von sechs) bis zu unserer Tochter.