Ganz gleich, ob sich der Mord so oder anders zugetragen hat, bei den Pragern war der Wüterich unten durch. Dagegen wird sein Vater, Karl IV., noch heute als „Vater der Stadt“ gerühmt. Unter der Herrschaft des böhmischen Königs und Kaisers des Heiligen Römischen Reiches hatte sich Prag zum Mittelpunkt Europas mit blühendem Handel und einer viel beachteten Kunstszene entwickelt.
Beim Spaziergang durch die Altstadt begegnet man dem Monarchen auf Schritt und Tritt. Von der Karlsbrücke, für die Karl IV. 1357 den Grundstein gelegt hat, über die Karlsuniversität mit Karolinum bis hin zum Altstädter Rathausturm nebst Marienkapelle. Besonders die Astronomische Uhr, deren zwölf Apostel sich zu jedem Stundenschlag bewegen, wirkt wie ein Touristenmagnet. Ein traumhafter Blick auf die Moldaustadt mit ihren hundert Türmen eröffnet sich vom Turm des Rathauses. Zu Füßen, im Haus zur steinernen Glocke, erblickte Karl 1316 das Licht der Welt. Die beiden gotischen Türme der Teynkirche im selben Blickwinkel entstanden später unter seiner Ägide. In der ehemaligen Kapelle beteten einst die Deutschen, während die Tschechen in der Bethlehemskapelle ihren Segen holten. In weiser Voraussicht versuchte der Landesvater beide Gruppen zu versöhnen.
Der Ehrgeiz des kosmopolitischen Herrschers, aus seinem Residenzsitz ein Zentrum Europas zu machen, endete keineswegs an der Stadtgrenze. Mit Pauken und Trompeten und unter großer Beachtung weithin läutete Karl IV. die Grundsteinlegung für die Neustadt mit 24 Schutztürmen und vier Stadttoren ein. Damit hatte der weise Monarch einen Stadtteil ersonnen, der in seiner großzügigen Bauweise an antike Prinzipien knüpfte und ein Muster für die spätere Italienische Renaissance hervorbrachte. Noch heute leben mehr Einheimische in der Neustadt als in der Altstadt.
Kein Wunder, dass der König aus dem Mittelalter noch immer als „Vater der Stadt“ gepriesen wird. Jirí Fajt hat sich lange mit dem außergewöhnlichen Monarchen befasst. Sein Bild von dem Herrscher habe sich während der Vorbereitung für die Ausstellung zum 700. Jubiläum Karls IV. geändert, erklärt der Generaldirektor der Prager Nationalgalerie. „Ich glaube schon, dass Karl IV. eine der wichtigsten Persönlichkeiten des Heiligen Römischen Reiches war“, sagt der Experte. Als überlegter Netzwerker, der fünf Sprachen in Wort und Schrift beherrschte, regierte er auch berechnend und autoritär, wenn es um die Durchsetzung seiner Ziele ging. Der Beiname „Karl der Listige“ sei so gesehen alles andere als schmeichelhaft gewesen.
Auf der Prager Burg, wo einst Kaiser und Könige thronten, residiert heute der Präsident Dann geht es auf der Kleinseite den Hradschin-Hang hinunter, vorbei an pompösen Palais aus hochherrschaftlichen Zeiten, in denen Kunst, Kultur und vor allem Musik eine große Rolle spielte. Im Thun Palais etwa war Mozart gern gesehener Gast. Allerdings steht nicht seine, sondern Churchills Büste davor, denn der Palast ist seit Jahrzehnten Domizil der britischen Botschaft.
In der Nähe des Tschechischen Nationalmuseums für Musik steht der böhmische Komponist Bedrich Smetana als Statue am lauschigen Ufer der Moldau. Zu seinem 200-jährigen Jubiläum wurde während der Konzertreihe „Prager Frühling“ auch sein bekanntestes Werk, „Die Moldau“, gespielt. Auf der Karlsbrücke, die einst zur Überquerung der Moldau mit Pferdewagen, Autos und Straßenbahnen diente und seit 1965 den Fußgängern vorbehalten ist, herrscht derweil der tägliche Touristentrubel. Das hätten sich die Könige, die nach Karl IV. auf ihrem Krönungsweg über diese Brücke gehen sollten, nicht träumen lassen.
Weitere Informationen
Tschechische Zentrale für Tourismus
Hotel Vienna House Diplomat Prag
www.viennahouse.com
Moldau-Schifffahrt
Landesausstellung Kaiser Karl IV
Waldstein-Reithalle
Bedrich Smetana Museum
Währung
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