Rallyes: Co-Piloten und ihre Bedeutung


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In der Tat: sie werden gefahren und siegen trotzdem. Sie navigieren die Weltspitzenpiloten und drehen doch nie selbst am Lenkrad. Man erkennt sie in den Sandwolken und im Staub der Pisten nie, da ihr Blick nach unten geht, auf die Navigationsinstrumente und Tripmaster gerichtet. Bei der Siegesfeier aber dürfen sie dabei sein, werden erstmals ohne Helm gesehen und freuen sich genauso wie die Fahrer selbst.

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Die Beifahrer, auch Copiloten genannt. Die Männer (und nur ganz wenige Frauen), die den „heißen Sitz“ belegen. Deren Leben auch von der Souveränität der Lenkradartisten abhängt. Früher lasen sie aus dem „Gebetbuch“, auch Strecken-Aufschrieb genannt, vor. Heute lotsen sie dank Satellitennavigation und zusätzlichen Rechnern die schnellsten Strecken im Roadbook von „Waypoint“ zu „Waypoint“, hängen ihren Fahrern dauerhaft oder nur mit knappster akustischer Stenografie via Bordfunk in den Ohren. Fehler können zur Katastrophe ausarten: Ausritt, Abflug … Ende Gelände. Duschen, heimfahren. Um den Rest kümmert sich das Team. Oder niemand mehr.

Zwei Deutsche tummeln sich seit Jahren in der Weltspitze der „Co-équipiers“, zwei, die unterschiedlicher in Charakter und Auftreten, in Physis und Psyche kaum sein können: Andreas Schulz, von Freunden „Andi“ genannt, und Dirk von Zitzewitz, von seinem Stammpiloten Giniel de Villiers „Schnietz“ getauft, weil der adelige Familienname für den Südafrikaner zu kompliziert ist. Andreas Schulz gehört mit seinen 58 Jahren zu den reiferen Jahrgängen, deren Versiertheit und Erfahrung besonders hohen Stellenwert aufweisen.

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Andreas Schulz, Desert Challenge, Abu Dhabi 2012

Kompakt-athletisch erscheint er, als wir uns treffen in seinem Haus in Hohenbrunn bei München. In seiner Freizeit verhilft er in seiner großen Werkstatt diversen „Youngtimern“ zu ihrem zweiten Leben. Andi Schulz ist Kfz-Meister, arbeitet gerade an einem Mercedes Youngtimer. Mit viel Akribie und Liebe. Den will er auch selbst fahren. In Bälde soll es soweit sein. Jetzt macht er erst mal Urlaub mit Lebensgefährtin Petra in Jordanien. In Petra, der berühmten Nabatäerstadt in den Felsen des Hochlands. Sein gemütliches Haus ist zugleich ein bisschen Museum mit Requisiten, die an besondere Ereignisse seines reichen Lebens erinnern und dadurch lebendig bleiben: Helme und Pokale. Schon in jungen Jahren zieht es ihn auf den Beifahrersitz privater Rallyepiloten.

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Andreas Schulz und einer seiner Youngtimer

Die Namensliste heute ist ein Kaleidoskop quer durch die Weltspitze: Matsuoka, der Japaner, mit dem Schulz zweimal die Dakar in Afrika gewann, ein drittes Mal dann mit Jutta Kleinschmidt 2001, bislang die erste und einzige Frau, die die Dakar siegreich beendete. Auch Andrea Mayer, die Ex-Motorrad-Amazone, führte er erfolgreich durch die Wüsten in Afrika. Carlos Sainz, der Rallye-Exweltmeister, wurde von Andi Schulz auf den rechten Pfad geschickt. Mit Leonid Novitskiy aus Russland wurde Schulz FIA-Weltcup-Gesamtsieger. Und die Verständigung an Bord? Schulz: „Normalerweise geht alles in Englisch, bei Leonid ist’s anders: ich spreche russisch mit ihm. Ich beherrsche problemfrei 7 Worte in seiner Landessprache: rechts, links, Achtung Kuppe, Wasser, Brücke, Stopp. Das reicht, wie man sieht, auch für einen Weltcup-Sieg.“ Typisch Andi Schulz. Knapp im Ausdruck, präzise, nichts Überflüssiges. Und er grinst dabei. So führte er im X-Raid-Mini All4 Racing seinen Fahrer Leonid Novitskiy durch die Atacama-Wüste in den Anden und beide verpassten das Treppchen nur um ein Haar, sie wurden Vierte in diesem Jahr. 2012 fährt Andi Schulz weiter für das X-Raid-Team alle Läufe zum FIA-Cross-Country World Cup, diesmal mit Al Mutaiwei. Die beiden verstehen sich gut, schließlich hat Schulz sein zweites Domizil in Dubai. Die Konkurrenz ist so hart wie nie zuvor, da auch Toyota wieder eingestiegen ist mit einigen bärenstarken Hilux-Pickups.

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Wenn der Fahrer fliegt, fliegt der Beifahrer mit

Womit das Stichwort gefallen wäre, um zum zweiten deutschen Spitzen-Copiloten zu wechseln: Dirk von Zitzewitz, der seit der 2012er Dakar mit Giniel de Villiers auf einem in Südafrika vom Imperial-Toyota-Team aufgebauten Pickup unterwegs ist. „Schnietz“ also. Er lebt mit Frau und Hund in Ostholstein. Schon sein Vater tobte als Endurofahrer erfolgreich durch die Wettbewerbe, sein Bruder Bert ebenfalls. Und Dirk natürlich auch. 15 deutsche Meistertitel waren seine Ausbeute! Dann rief die Dakar: Drei Mal startet er auf dem Motorrad und wird gleich beim ersten Start Fünfter. 2002 dann sein Wechsel auf den Beifahrersitz auf vier Rädern. Auch das hat eine „Story“: Die Gene dafür bekam er gleich bei der Geburt mit. Auf dem Weg zum Krankenhaus gebar seine Mutter ihn etwas vorzeitig. Auf dem Beifahrersitz kam der kleine Dirk zur Welt. 44 Jahre ist „Schnietz“ erst jung und gewann die nach Südamerika verlagerte „Dakar“ 2009 mit de Villiers auf einem Race-Touareg des VW-Teams.

Zitzewitz

2012 gelang es dem Imperial-Team, auf dem brandneuen Hilux-Pickup, der nur knapp ausgetestet werden konnte in der Namib-Wüste, nach vorsichtigem Beginn sich Tag für Tag weiter vorzuschieben. Der gewiefte, ja ausgebuffte Taktiker de Villiers hatte in „Schnietz“ einen kongenialen Beifahrer an Bord und beide standen am Schluss auf dem Treppchen: dritter Platz hinter den Doppelsiegern Peterhansel und Roma auf den Minis. Von Zitzewitz ist schlank, hält sich mit einem Hightech-Mountainbike am nahen Bungsberg fit, führt Enduro-Touren mit Kunden nach Afrika und Südamerika, ist viel unterwegs. Unter Freunden und Kollegen gilt er als warmherzig, gutmütig, nahbar und gelassen. Und als der Chronist ihm vom baldigen Besuch bei Andi Schulz erzählte, sagte „Schnietz“ spontan: „Dann grüßen Sie ihn mir mal ganz herzlich.“ In seiner überschaubaren Freizeit engagiert er sich stark für sein Projekt, das Kinder und Jugendliche in Afrika unterstützt: „Steps for Children“.

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Dirk von Zitzewitz hält sich mit einem Hightech-Mountainbike fit

Trotz aller Unterschiedlichkeiten haben Andi Schulz und Dirk von Zitzewitz auch Gemeinsamkeiten. Ihren verantwortungsvollen Beruf als Copiloten bereiten sie mit größter Akribie vor, dann sind sie für niemanden zu sprechen. Aber es gibt auch einen Alltag, der sie wieder erdet. Andi Schulz meinte zum Abschied, dass die 2013er Dakar dann wohl seine letzte sei, bei „Schnietz“ könnte das ganz anders aussehen …

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