Nie werde ich vergessen, wie sich im Frühsommer 1990 das elterliche Garagentor öffnete und mir die Kinnlade herunterfiel. Da stand mein erstes Auto, ein knallroter 2CV, der (zumindest für mich) citroënigste aller Citroëns. Ein Geschenk meiner Eltern, und ich wusste von nichts. Es war ein 1986er-Modell mit schwungvollen Zierstreifen und Enten-Aufklebern auf den Flanken. Und mit „I fly bleifrei“-Schriftzug, denn die Ente hatte zwar keinen Kat, vertrug dafür aber bleifreien Sprit. Umweltschutz war eben damals schon ein heiß diskutiertes Thema. Seit dem 1. Januar 1989 durften beispielsweise Neuwagen mit Benzinmotor in der damaligen Bundesrepublik nur noch mit Kat zugelassen werden. Von den 29 Millionen registrierten Pkw fuhr zu diesem Zeitpunkt bereits ein Drittel schadstoffarm.
Dass in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 die Berliner Mauer fallen wird und damit eine politische Zeitenwende bevorsteht, ahnt Anfang des Jahres noch niemand. Was die Autowelt betrifft, ist eine Zäsur bereits schmerzlich vollzogen. Ende 1988 hat Renault den werksseitigen Ex-port des legendären R4 nach Deutschland eingestellt. 27 Jahre zuvor, im Herbst 1961, war er auf der IAA in Frankfurt/Main dem staunenden Publikum präsentiert worden. Eine praktische Kombi-Limousine mit vier Türen und Heckklappe, dazu der erste Renault-Pkw mit Vorderradantrieb – das sorgt für ein Rauschen im Blätterwald und einen Kundenansturm bei den Renault-Händlern.
Bis 1992 rollen 8,1 Millionen Exemplare vom Band. Offiziell nach Deutschland exportiert werden genau 900.300 Stück. Das auf 500 Exemplare limitierte Sondermodell „Salü“ ist der Abgesang, denn der Kult-Franzose scheitert an immer schärferen Abgasvorschriften. In Frankreich und anderen europäischen Ländern bleibt er noch bis 1992 im Programm, bis dahin tröpfelt auch das eine oder andere Modell noch auf den deutschen Markt. Übrigens: Den letzten in Deutschland verkauften Serien-R4 GTL sichert sich damals Moderatoren-Legende Günther Jauch.
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Ein Auto, das Platz für
zwei Bauern in Stiefeln
und einen Zentner Kartoffeln bietet.
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Und der 2CV? Es ergeht dem zweiten Kult-Franzosen mit Revolverschaltung nicht besser. Immer schärfere Abgas- und Crashvorschriften nagen auch an ihm wie Rost an seiner Karosserie. Schon 1948 war er auf dem Pariser Automobilsalon der Öffentlichkeit präsentiert worden und mauserte sich in den kommenden Jahrzehnten zum Kultobjekt, gerade in Deutschland. Die Grundidee stammte bereits aus den Dreißigern. „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter auf 100 Kilometern verbraucht. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht“, soll das Lastenheft gefordert haben. Ergebnis: Mit Auszeichnung bestanden!
Obwohl die Ente dem R4 in Deutschland in Sachen Kultfaktor den Rang abläuft, ist der Renault kommerziell erfolgreicher. Bis 1990 rollen einschließlich Kastenenten 5,1 Millionen 2CV vom Band, von denen laut Citroën 348.078 in Deutschland verkauft wurden. Im Herbst 1989 nimmt Citroën den Dauerläufer aus dem deutschen Verkaufsprogramm, doch bis zum Produktionsende im Sommer 1990 finden noch viele Grauimporte ihren Weg zu Händlern. Zu groß ist die Fangemeinde, zu der damals auch ich zählte. Meine gebrauchte Ente war damals für mich das kleine Glück fürs große Abenteuer. Doch dass die erste Liebe häufig nicht lange währt, musste leider auch ich schmerzlich erfahren. Mein 2CV hielt nur zwei Jahre durch, dann stoppte ihn – ganz untypisch – nicht der Rost, sondern ein Motorschaden. Zwar bosselten mein Bruder und ich noch einen Ersatzmotor vom Schrottplatz unter die Fronthaube, doch kurz darauf gab ich die Ente in Zahlung – für einen schnöden Ford Fiesta. Manche Sünden bleiben unverzeihlich.
Fotos Hersteller