KÜS Magazin: Die Faszination Walter Röhrl ist ungebrochen. Als Gast beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring versammelten sich mehr Fans und Journalisten um Sie, als um die aktiven Fahrer. Woran liegt das?
Röhrl: Ich bin seit 1987 nicht mehr aktiv und
versuche dem Rampenlicht der Öffentlichkeit fern zu bleiben – was mir aufgrund meiner Tätigkeit bei Porsche nicht immer gelingt. Viele meinen, eine Marketingstrategie
darin zu erkennen, was Quatsch ist. Vielmehr liegt es wohl an meiner Bodenständigkeit, an meiner Heimatverbundenheit und vielleicht daran, dass ich nach wie vor ein einfacher, bayrischer Bauernkopf bin.
Als zweifacher Rallye-Weltmeister vermutet man Sie eigentlich in Monaco oder der Schweiz.
Ich bin in Regensburg geboren, aufgewachsen und bis heute meiner Heimat treu geblieben. Den einzigen wirklichen Luxus, den ich mir gegönnt habe, ist ein Haus im bayrischen Wald, etwa 80 Kilometer von Regensburg entfernt. Auch wenn ich schwer unter dem deutschen Steuersystem gelitten habe und noch immer leide – ein paar Ersparnisse entschädigen nicht für das Verlassen der Heimat. Im Übrigen hat meine Frau ihre Firma in Regensburg, ein weiterer Grund, Deutschland nicht zu verlassen.
Was machen Sie, wenn Sie weder im Auto sitzen noch für Porsche unterwegs sind?
Ich treibe regelmäßig Sport, bis zu 15 Stunden je Woche. Fahre Rad im Sommer und Ski im Winter.
Sie engagieren sich auch für soziale Projekte – aber stets im Hintergrund.
Tatsächlich gebe ich meinen Namen für einige wohltätige Zwecke her und unterstütze soziale Einrichtungen und Aktionen. Und halte mich dabei lieber im Hintergrund. Ich bin der Meinung, dass diejenigen, die ihr Engagement an die große Glocke hängen, sich damit nur selbst Vorteile verschaffen wollen. Ich brauche dazu weder PR, noch Fernsehkameras oder einen roten Teppich. Ich bin froh, wenn ich helfen kann.
Was sagen Ihre Nachbarn, in unmittelbarer Nähe des besten Rallyefahrers der Welt zu leben?
(lacht) Wir haben uns alle dran gewöhnt. Nein, im Ernst: Die Nachbarn registrieren es nicht mehr. Wenn Leute vor mein Haus pilgern, sind es fast nur Ortsfremde.
Viele Rennfahrer setzen sich Denkmäler mit Kartbahnen, Rennfahrerschulen oder lassen Streckenabschnitte nach sich benennen. Sie machen das nicht?
Ich bin der Meinung, dass solche Dinge nur belasten und am Ende nichts bringen. Es gab einen Interessenten, der ein Walter- Röhrl-Museum eröffnete und mich solange bequatscht hat, bis ich ihm zahlreiche Exponate zur Verfügung stellte. Am Ende war der Initiator Pleite und alle meine gestifteten Sachen – von Pokalen über Fahreranzüge, Helme, Sitze und Reifen bis hin zu Bildern und Autogramme wurden versteigert. Nur durch richterliche Unterstützung konnte ich wenigstens den Erlös retten, den ich komplett gestiftet habe. Die Sachen jedoch sind nun in der ganzen Welt verstreut.
Was essen Sie am liebsten?
Pasta in allen Variationen.
Wo, wenn nicht im bayrischen Wald, würden Sie am liebsten wohnen wollen?
Entweder in Österreich, wegen der Landschaft, der Mentalität der Menschen und dem stabilen System oder in Italien – der Pasta wegen!
Was wäre heute ein Walter Röhrl ohne Rennsport?
Wenn es nach meinem Vater gegangen wäre, hätte ich den elterlichen Steinmetzbetrieb übernehmen sollen. Das hat sich durch innerfamiliäre Angelegenheiten zerschlagen. Ich weiß nicht genau, was aus mir geworden wäre, sicher ist, dass ich keiner Büroarbeit nachgegangen wäre. Ich denke Skilehrer oder -fahrer wäre mein Ding gewesen: Draußen, ständig in Bewegung, ständig am optimalen Fahrstil arbeiten.
Wie stand und steht Ihre Frau zu Ihren Aktivitäten?
Meine Frau wusste immer, wie gefährlich mein Beruf ist, hat jedoch immer gesagt: «du musst das tun, damit du zufrieden bist.»Ihr wäre es damals recht gewesen, wenn ich lieber heute als morgen aufgehört hätte. Aber sie hat mir nie Steine in den Weg gelegt. Wenn ich heute ins Rennauto steige, um einen Wettbewerb zu fahren, legt sie mir jedoch immer häufiger und mit Nachdruck nahe, aufzuhören.
Hat Ihre Frau Sie häufig zu Rennen begleitet?
Nein, eigentlich höchst selten. Aber bei jedem meiner Starts zur Rallye Monte Carlo kam sie am letzten Tag. Alleine, privat und ohne Aufsehen.
Kinder machen langsam – so eine Rennfahrerweisheit. Ist das der Grund, warum Sie keine Kinder haben?
Als aktiver Rennfahrer hatte ich damals keine Zeit für Kinder, ich war mitunter wochenlang unterwegs. Ich wäre zu dieser Zeit kein guter Vater gewesen. Als ich Zeit gehabt hätte, war ich schlichtweg zu alt für Kinder. Dennoch mag ich Kinder sehr gerne und kann insbesondere bei sozialen Projekten für Kinder nie nein sagen.
Welche Schwächen haben Sie?
Meine größte Schwäche sind Süßigkeiten. Ich kann einfach nicht widerstehen, wenn ich etwas Süßes angeboten bekomme. Außerdem würde ich mich selbst als jähzornig bezeichnen: Ich bin lange, sehr lange tolerant und ruhig, ab einem gewissen Punkt explodiere ich – und zwar richtig.
Was hassen Sie am meisten?
Lkw auf allen Straßen und Ungerechtigkeit.
Wie schätzen Sie sich als Autofahrer im normalen Verkehr ein?
Ich denke, ich bin ein zurückhaltender, besonnener und umsichtiger Fahrer. Auf der Autobahn fahre ich selten schneller als 180 km/h. Auf der Landstraße rolle ich am liebsten mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit daher. Und hier tritt eine kleine Schwäche ans Licht: Ich bleibe solange ruhig, bis ich ein Auto vor mir sehe. Erst, wenn ich diesen Wagen überholt habe, kann ich wieder ruhig fahren. In der Stadt fühle ich mich manchmal als Verkehrserzieher und halte mich exakt an die Geschwindigkeiten.
Wie wichtig ist Ihnen die Umwelt?
Sehr wichtig, ich befürworte verbrauchsarme Fahrzeugtechnologie, propagiere das Radeln und bin überzeugt, dass wenn jeder nur ein wenig an seiner Einstellung zur Umwelt arbeitet, der größte Schutz erfolgt. Allerdings finde ich den Hype um Elektroautos übertrieben, schließlich muss auch der Strom produziert werden.
Was würden Sie, wenn Sie noch mal zu starten hätten, anders machen?
Eigentlich nicht viel, denn ich bin glücklich und stolz auf das, was und wie ich es gemacht und erreicht habe. Ausgenommen die drei Jahre bei Opel – die waren für mich vergeudete Zeit.
Wie wichtig sind Ihnen Freunde?
Sehr wichtig, aber durch meine vielen, beruflichen Reisen habe ich zahlreiche Freunde verloren. Die Freundschaften, die mir geblieben sind, pflege ich sehr intensiv. Darunter ist auch ein Freund, der mich in meiner aktiven Zeit immer nach Monte Carlo begleitet hat.
Was ist das perfekte Alltagsauto für Sie?
Für mich und meine Frau ist der Porsche Turbo das perfekte Auto: Reichlich Leistung bei verhältnismäßig geringem Verbrauch und hohem Spaßfaktor. Aber: Derzeit fahre ich einen VW Bus und muss sagen, der Wagen hat alles, was zur Fortbewegung erforderlich ist. Im Sommer, wenn kein Regen gemeldet ist, wenig Fliegen unterwegs sind und keine Lkw die Straße verstopfen, setze ich mich auch gerne hinters Volant eines Oldtimers.
Herr Röhrl, bei unserem Gespräch habe ich Sie als zurückhaltend und bescheiden kennen gelernt. Wie kommen Sie mit Ihrem «Promi-Status» zurecht?
(grinst) Ich habe gelernt, damit zu leben, aber ich setze ihn nicht bewusst zu meinem Vorteil ein. Häufig kommt es vor, dass man mich bevorzugt behandelt, was mir aber nie ganz recht ist. Vielleicht kann ich damit so gut umgehen, weil ich immer wieder höre, wie normal ich geblieben bin.
Bei Polizeikontrollen sind Sie anderen Bürgern gegenüber sicherlich im Vorteil?
Im Gegenteil: Gerade die Ordnungshüter haben offensichtlich Freude daran, mich anzuhalten. Allerdings gebe ich ihnen durch meine passive Fahrweise wenig Anlass dazu.
Als passiver Motorsportler wähnt Sie jeder im Rentnerdasein?
Falsch, ich arbeite nach wie vor mit Porsche und auch viel mit VW und Audi zusammen. Ich habe reichlich Termine und nahezu kein freies Wochenende. Meiner Frau wird es langsam zuviel.
Was werden Sie in Zukunft machen?
Schwer zu sagen, aber ich werde mich aus dem aktiven Geschäft weiter zurückziehen. Ganz und gar die Hände in den Schoß legen kann ich nicht, ich will aber auch nicht von jungen Porsche-Mitarbeitern irgendwann hören: «Was macht eigentlich der alte Depp da draußen mit unseren Autos».
Welche Fans sind Ihnen die liebsten?
Mir sind alle Fans lieb – wer vor meiner Haustür steht und darum bittet, bekommt ein Autogramm. Die verrücktesten Fans habe ich wohl in Italien: Während einer Radtour,abseits von bekannten Routen, begrüßtemich ein Fernmeldmechaniker, der am Holz-mast hing, mit: «Ciao Walter!» – ich hatte einen Radhelm und Sonnebrille auf. Als wir in einer winzigen Bar Pause machten, erkannte mich offensichtlich der Wirt und informierte das gesamte Dorf. Anschließend habe ich allen Autogramme gegeben.
Was war Ihr bedeutendster Meilenstein im Leben und was Ihr ständiger Antrieb?
Zweifelsfrei waren meine Teilnahmen und Siege in Monaco die wichtigsten meiner Karriere. Ich wollte immer die Rallye Monte Carlo gewinnen und das habe ich viermal geschafft. Mein Antrieb war es, immer noch perfekter zu sein, noch schneller fahren zu können und mich stets zu verbessern. Es ging mir dabei nur darum, meine gesteckten Ziele zu erreichen. Der Hang zur Perfektion sowie die Sucht nach Rallyefahren waren mein Antrieb.
Letzte Frage, Herr Röhrl: Werden wir, als Ihre Fans, Sie noch mal im Rennauto erleben dürfen?
Eher nicht. Irgendwann muss man als Rennfahrer aufhören zu glauben, der Beste und Schnellste zu sein. Ich muss nicht mehr beweisen, dass ich auf letzter Rille fahren kann – vor allem mir selbst nicht mehr. Mein geplanter Einsatz beim 24-h-Rennen 2010 wurde durch meine Rückenschmerzen zunichte gemacht. Ich denke, das war ein eindeutiges Zeichen.
Herr Röhrl, ich danke für das interessante Gespräch mit Ihnen und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute.