In einem schmalen Gebiet zwischen Nordligurien und dem Mittelmeer im Süden liegt die fast unbekannte Region «Malghe». So im Viereck zwischen den Dörfern Upega, Monesi, Badalucco und Triora. Hier wird eine Küche praktiziert, die sich aus weißen, also hellen Produkten der Region zusammen setzt. Dazu zählen: Pilze, vor allem Steinpilze (Porcini) aus den Laub- und Nadelwäldern, die hier bis etwa 1.700 Meter Meereshöhe wachsen, Schafs- und Ziegenkäse aus dem Valle d’Upega, helles Brot aus Triora, Feigen von den Südhängen im Valle Argentina und natürlich Nudeln und Mehlgerichte in allen Formen und Kombinationen. Von den Almen oberhalb von Monesi kommt ein kräftiger würziger Pecorino und aus Badalucco das noble, kaltgepresste Olivenöl aus der letzten Ölmühle des Tales. Hier wirkt Franco Boeri in der 5. Generation und fand weitere Möglichkeiten, das kulinarische Angebot zu erweitern.
Wer seine Ölmühle «Olio Roi» besucht, wird nicht umhin kommen, sich einen Karton der dort angebotenen Köstlichkeiten füllen zu lassen.
Thunfischfilets in Olivenöl, zum Beispiel oder mit Sardellen und Kapern gefüllte Tomatenpeperoni.
Von dort geht es auf alten Militärtrails hoch hinauf zum Passo Collardente und zum Passo della Guardia. Es wird eng dort oben und die tiefen Querrinnen und Löcher im Naturgestein prügeln die Insassen recht heftig durch. Wir folgen Kurs Nordost und finden zwischen Monesi und Mendatica das recht einsam gelegene Gasthaus «San Bernardo». Hier bietet Walter Gandolfo ebenfalls einen Bereich der Cucina Bianca: Risotto, in Olivenöl angebraten mit frischen Steinpilzen oder Gnocchi mit geriebenem Pecorino. Dazu kredenzt er eine Flasche würzigen Weißweins aus dem nächstgelegenen Anbaugebiet bei Ormea. Der wiederum kann seine qualitative Nachbarschaft zu den berühmten Weinbergen im nahen Ostpiemont nicht leugnen.
Walter hat zudem eine Spezialität, die zwar nicht unbedingt der weißen Küche zugeordnet werden sollte, aber in exzellenter Korrespondenz dazu steht: «Cinghiale», Wildschwein also, gegart in Rotwein, dargereicht mit nur leicht angerösteten Kartoffelstücken, die wiederum von frischem Rosmarin umschmeichelt werden.
Wir überlegen uns langsam, ob wir hier nicht doch unseren Zweitwohnsitz aufschlagen sollten? Doch noch haben wir das Malghe nicht ganz durchmessen. Wir verabschieden uns aus San Bernardo und nehmen Kurs auf
Triora.
Die direkte Verbindung führt über den rumpeligen und ausgewaschenen Garezzo-Pass, der nur von echten Allradlern gepackt werden kann.
Dann der lange, ausgesetzte Abschwung mit 1.000 Metern Höhendifferenz Richtung Triora, auch wieder eng und mit scharfkantigem Gestein gespickt.
Triora wurde im frühen Mittelalter gegründet, im hohen Mittelalter erlangte es berüchtigte Berühmtheit, da dort ledige Frauen als Hexen gebrandmarkt, verfolgt und verbrannt wurden. Mit Selbstironie begegnen die heutigen Bewohner des hübschen Dorfes diesem unguten Treiben von damals mithilfe eines Verkehrsschildes der etwas anderen Art.
Simona Pastor führt in der 3. Generation das gepflegte Hotel-Restaurant «Colomba d’Oro». Hier und im nachbarlich befreundeten Restaurant «L’erba gatta» waltet und schaltet der gleiche Kochkünstler. Selbstverständlich die klassische Cucina Bianca in allen Variationen pflegend. Im Hotel lässt es sich gar trefflich ruhen und relaxen und der Blick von der gewaltigen Naturterrasse geht bis zum Mittelmeer. Wenn der Dunst es mal zulässt.
Cucina Bianca: es bedeutet nicht nur weiße, helle Küche,
der Name ist zugleich Synonym für eine sehr naturnahe, regional limitierte und dennoch sehr herzhaft-würzige Küche.
Da lassen wir doch das moderne Designerfutter der Sterneköche gerne stehen. Drum kommen wir nächstes Jahr wieder ins Malghe. Der steinigen Trails und der Küche wegen.
